Die Produktion von Whisk(e)y bedarf Zeit. Viel Zeit. Grosse Investitionen und Risiken sind mit jedem befüllten Fass verbunden – erst recht, wenn man nicht auf hunderte von Jahren Erfahrung mit dem Destillieren von Getreidebränden, dem Ausbau in Eichenfässern und dem Blending zu immergleichen Geschmacksprofilen zurückgreifen kann.
Schweizer Whisky – eine Kategorie, die eben erst volljährig wurde, denn vor dem 1. Juli 1999 war es in der Schweiz verboten, Getreide zu brennen. Und ein Whisk(e)y ist kein Whisk(e)y, wenn das Getreide-Destillat nicht mindestens drei Jahre in einem Holzfass gelagert wurde.
Dass sich die hiesigen Produzenten zuerst an den schottischen Single Malts orientierten, erstaunt kaum. Zwar traf man in Bars auch vor zwanzig Jahren auf Marken wie Jack Daniel’s, Jim Beam oder Four Roses, aber ausser beim Gast aus Amerika trafen diese Whiskeys doch eher selten auf Resonanz. Scotch war im Trend, das höchste der Gefühle: der Single Malt.
Dabei hätte der amerikanische Stil für Schweizer Produzenten einige Vorteile mit sich gebracht. Im Unterschied zu seinen schottischen Cousins werden Bourbon und Co. in neuen Eichenfässern gelagert und dies in der Regel bei wesentlich milderen Temperaturen als in den schottischen Highlands.
Während die meisten Flagship Single Malts schottischer Distillerien irgendwo zwischen 10 und 16 Jahren gelagert werden, sind die meisten amerikanischen Whiskeys bereits wesentlich früher genussreif.
Lokales Getreide, heimisches Handwerk
Der amerikanische Stil hat weitere Vorteile. Brennereien können etwa auf lokales Getreide zurückgreifen, denn Braugerste aus der Schweiz ist die Ausnahme, nicht die Norm. Um die Stärke in Mais, Roggen, Weizen oder auch typisch schweizerischen Getreidesorten wie Dinkel in vergärbaren Zucker umzuwandeln, können beigefügte Enzyme eingesetzt werden, wodurch zudem das Mälzen entfällt.
Es ist nicht selten, dass Schweizer Whisky-Produzenten das Herstellen des Distillers Beer, bzw. der Wash, outsourcen. Für den Buechisberger Single Malt der Brennerei Schwab arbeitet die Distillerie etwa mit Burgdorfer Bier zusammen. Für ihren «Bourbon» finden jedoch alle Produktionsschritte inhouse statt, denn für das Kochen der Maische war die technische Infrastruktur bereits vorhanden.
Auch bei Matter Spirits geschieht die gesamte Produktion ihrer limitierten Corn, Rye und Blended Whiskys inhouse und ab November 2020 ist auch die Macardo Distillerie, die im thurgauischen Strohwilen ihren «Bourbon» produzieren, nicht mehr auf eine Brauerei als Partner angewiesen.
Bei der Destillation unterscheiden sich die Schweizer Whisky-Produzenten alleine durch die schiere Grösse von den schottischen oder amerikanischen Produzenten. Während Letztere durch das kontinuierliche Column Still-Verfahren wesentlich effizienter grosse Mengen produzieren, besitzen schottische Wash Stills teilweise Kapazitäten, welche die Brennhäfen von hiesigen Produzenten um ein Hundertfaches übertreffen.
Whisky oder Whiskey?
Findet man bei Whisk(e)ys aus Irland und den USA meist die Bezeichnung Whiskey (mit «e»), schreibt man in Schottland Whisky ohne «e». Auch die meisten Schweizer Brenner verwenden die Bezeichnung Whisky – auch wenn Basis aus Mais oder Roggen besteht. Ausnahmen sind Glen Rhine (Kobelt) oder Old Mustang (Langatun).
Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die meisten Schweizer Produzenten die Maische brennen. Ausnahmen sind der 1815 – 13 Sterne-Whisky der Sempione Distillery in Brig oder der Glen Rhine Whiskey von Kobelt. Bei letzterem wird die Würze destilliert, welche bei Sonnenbräu gebraut wurde.
Die kleineren Mengen bieten Spielraum für Experimente, auch was die Verwendung der Fässer während der Lagerung betrifft. Neue, ausgekohlte Fässer aus amerikanischer Eiche kommen ebenso zum Einsatz wie Ex-Weinfässer oder Fässer aus Schweizer Eiche.
Mit dem neuen Interesse für Bourbon und Rye bieten sich für Schweizer Whisky- Produzenten neue Möglichkeiten. Stimmt die Qualität, sind Gäste aus dem In- und Ausland gerne bereit, etwas Neues zu probieren.
Wenn man sieht, welche Qualitäten bereits heute auf dem Markt sind, und wie viele Produzenten, die bisher noch keinen Whisk(e)y im Angebot hatten, demnächst ihre mit Destillaten aus Mais, Roggen und anderen Getreidesorten belegten Fässer abfüllen, darf man dem volljährigen Schweizer Whisk(e)y getrost eine rosige Zukunft prognostizieren.