Kaum eine Woche vergeht, in der nicht der eine oder andere neue Gin auf den Markt kommt. Mit immer ausgefalleneren Zutaten wie Austernschalen, Algen oder Ameisen versuchen Gin- Produzenten – nicht selten Quereinsteiger und Start-ups, die auf dem boomenden Gin-Markt mitmischen wollen – die Aufmerksamkeit von Barkeepern und Gästen auf sich zu lenken.
Viele lassen sich gerne auf ein neues Geschmackserlebnis ein, doch wie häufig geschieht es, dass der neue Gin mit den aussergewöhnlichen Zutaten tatsächlich auch ein zweites Mal bestellt wird? Gut möglich, dass die angebrochene Flasche auf das Regal mit den speziellen Gins wandert, doch ins Speed-Rack schaffen es wohl die wenigsten dieser Neuheiten.
Doch welches sind eigentlich die Voraussetzungen für einen überzeugenden Pouring-Gin und weshalb kommen viele der neuen Gin-Marken dafür eher nicht in Frage?
Der wichtigste Parameter für eine Bar ist zweifelsohne das Preis-Leistungs-Verhältnis. Gerade bei Gin, einer Spirituosenkategorie, zu der heutzutage so häufig gegriffen wird, kommt Ende des Jahres oft eine ziemlich grosse Menge an verkauften Flaschen zusammen.
Klar, dass in diesem Bereich der Preis oft das Killerkriterium ist. Und trotzdem. Ein überzeugender Pouring-Gin muss sich sowohl in einem Gin & Tonic bewähren wie auch in den am häufigsten bestellten Cocktails. Dass der Wacholder dabei im Vordergrund sein sollte, versteht sich von selbst.
Doch welche Aromen sollten sonst noch im Vordergrund stehen? Citrus oder doch lieber würzige Noten? Darf es gar etwas exzentrischeres sein wie mediterrane Kräuter oder gar eine dezente Frucht-Note? Wie harmoniert der Gin mit dem Standard-Tonic Water in unserem Sortiment und lässt sich damit auch ein solider Dry Martini zubereiten? Um diese Fragen kommt man nicht herum, wenn man sich für einen Gin für das Speed Rack entscheiden muss.
Weiter spielt auch der Alkoholgehalt eine nicht zu unterschätzende Rolle. Wählt man lieber ein vermutlich günstigeres Produkt mit dem gesetzlichen Mindestalkoholgehalt von 37,5 Vol.-% oder entspricht eher ein Gin mit 40, 43 oder gar ein Navy-Strength Gin mit 57 Vol.-% den Bedürfnissen der Barkeeper bzw. dem Wunsch der Gäste?
Passt der Gin zum Lokal?
Weiter sollte man sich im Klaren sein, dass der Pouring-Gin zur Philosophie des Lokals passen sollte. Setzt meine Bar auf lokale Zutaten oder bediene ich hauptsächlich zahlungskräftige Gäste mit hohen Ansprüchen? Dann lohnt es sich vielleicht, etwas mehr Geld zu investieren, wenn man gleichzeitig auch mehr für den Gin & Tonic verlangen kann.
Ist meine Kundschaft eher Markenaffin oder ist Nachhaltigkeit für sie ein wichtiges Thema? Dann ist entweder eine bekannte, internationale Gin-Marke mit einem potenten Marketing-Budget oder der Bio-Gin aus der Region angebracht.
Die Zahlungsbereitschaft von klaren Spirituosen ist zwar nach wie vor tiefer als jene von fassgelagerten Destillaten. Doch Gin hat es vorgemacht: Gäste greifen für ein überzeugendes klares Produkt gerne auch mal etwas tiefer in die Tasche.
Beim Gin & Tonic ist nicht zuletzt auch das wachsende Angebot an Premium-Tonics, die in vielen Bars serviert werden, Ursache für die gestiegenen Preise. Das Tonic aus der 1-Liter-Flasche ist gerade in den gehobeneren Bars nur noch höchst selten anzutreffen.
Doch die garantiert gewährleistete Kohlensäure, die individuelle 2-dl-Tonic-Water-Fläschchen mit sich bringen, hat ihren Preis. Gut möglich, dass das Tonic Water der grössere Kostentreiber im Highball-Glas ist als der Gin selbst. Die Konsequenz: der Gin & Tonic kostet auf der Barkarte bei nicht wenigen Bars mehr als ein aufwändig gemixter Cocktail.
Handling
Während die bisher genannten Faktoren insbesondere für den Barmanager bzw. die Barmanagerin von zentralem Interesse sind, so ist für den Barkeeper nicht zuletzt auch die Flaschenform und -grösse von Relevanz. Gins in 5-dl-Flaschen eignen sich nun mal schlecht fürs Pouring.
Nicht nur produziert man damit mehr Leergut, das ständige Wechseln von Pourern und das Entfernen von Plastik-Siegeln ist bei Hochbetrieb schlicht nicht praktisch. Ökonomisch, wie auch ökologisch eignen sich fürs Pouring daher eher simple und leichte 7-dl-Flaschen mit einem guten Grip und einem ausreichend langen Flaschenhals.