Bier und Whisky

Mehr Swissness dank Schweizer Malz

Das Wenige, was an Braugerste in der Schweiz angebaut wird, muss zum Mälzen ins Ausland gebracht werden. Oder besser gesagt «musste», denn mittlerweile gibt es einige kleinere und bald soll es gar einige grössere Mälzereien in der Schweiz geben.

Vier Zutaten braucht es, um Bier herzustellen. Doch neben Malz, Hopfen und Hefe ist das Wasser meist das einzige wirklich Lokale am Bier. Doch auch wenn das Wasser den grössten Teil im Bier ausmacht, wird aus Wasser allein noch kein Bier.

Denn um den alkohol- und kohlensäurehaltigen Gerstensaft zu brauen, braucht es an erster Stelle mal Malz. Malz entsteht, wenn man Getreide keimen lässt, wobei Enzyme dafür sorgen, dass unvergärbare Stärke in vergärbaren Malzzucker umgewandelt wird.

Wichtig für den Brauer oder die Brauerin, denn daraus lässt sich ein kühles Bier brauen, wichtig aber auch für das Getreidekorn, denn diese braucht die Energie für ihr Wachstum.

Getreide keimt, wenn es in Kontakt mit Wasser tritt und es gleichzeitig genügend warm ist. Dabei bilden sich kleine Wurzeln und die Keimblätter. Durch regelmässige Bewegung wird Sauerstoff beigefügt und verhindert, dass die Würzelchen sich ineinander Verzweigen. Das verhindert, dass sich Schimmel bilden kann und dass das Getreide zu faulen beginnt.

Normale Gerste hat sechs Stränge an der Ähre, Braugerste nur zwei.

Um Malz für Bier oder Whisky herzustellen, wird dieser Prozess nach drei bis sechs Tagen nach der sogenannten Weiche gestoppt, indem das Grünmalz getrocknet bzw. gedarrt wird. Dabei kann die Mälzerei via Temperatur und Dauer bestimmen, ob daraus ein helles oder ein dunkleres Malz werden soll.

Für die Herstellung von Bier und Whisky wird am häufigsten Malz aus Gerste verwendet. Dieses eignet sich in der Herstellung besonders gut und kann dank dem hohen Anteil an Enzymen auch die Stärke von unvermälztem Getreide in vergärbaren Zucker umwandeln.

So wäre es zwar möglich, auch aus Weizen, Roggen oder Hafer für entsprechende Biere Malz herzustellen, in der Regel wird dafür jedoch ein Teil des Gerstenmalzes durch die entsprechende unvermälzte Getreidesorte ersetzt.

Braugerste und Malz «Swiss made»

Aufgrund der topographischen Gegebenheiten war der Anbau von Getreide in der Schweiz vielerorts nicht besonders gut geeignet. Zudem war dank dem Ausbau der Transportwege und der Alpwirtschaft die Herstellung und der Handel mit Käse oder Fleischerzeugnissen oft lukrativer.

Dennoch war der Getreideanbau auch in der Schweiz verbreitet, wobei Bier im Weinland Schweiz lange Zeit keine grosse Rolle spielte und die Herstellung zeitweise an verschiedenen Orten gar verboten war.

Das Image von Bier änderte sich drastisch, als sich der Gerstensaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer mehr durchsetzte. Mit der massiven Zunahme des Bierkonsums stieg auch der Bedarf an Getreide bzw. an Malz.

Dieses kam schon damals oft aus dem Ausland, da das Schweizer Malz wegen der höheren Preise von Rohmaterial, Energie und Arbeitskraft einerseits und den sinkenden Transportkosten andererseits kaum mit den europäischen Erzeugnissen konkurrenzfähig war.

Diese Abhängigkeit von Importen sollte sich im ersten Weltkrieg als besonders verheerend erweisen, war diese Zeit doch geprägt von Lieferengpässen, Brauereischliessungen und einer sinkenden Bierqualität. Später geriet Bier unter anderem auch gerade deswegen in das Visier der Politik, da das Wasser das «einzige einheimische Produkt im Bier» sei.

Dieser Ansicht war zumindest Diethelm Burkhard-Abegg, der in der Zwischenkriegszeit für die Bauernpartei im Nationalrat politisierte und sich auch darüber aufregen konnte, dass «auch die in der Brauerei beschäftigten Arbeiter (…) Ausländer» seien.

Dort warb er, der sich primär für die Interessen der Winzer und Milchbauern einsetzte, etwa für die Einführung einer Biersteuer. Infolge sinkender Preise verschwanden die verbliebenen Schweizer Mälzereien in den kommenden Jahrzehnten, zu hoch war die Konkurrenz aus dem Ausland.

Am längsten leistete sich noch die Brauerei Schützengarten eine eigene Mälzerei. Bis ins Jahr 1985 wurden jährlich noch zwischen 1 500 und 2 000 Tonnen Braugerste vermälzt. Diese stammte jedoch nicht aus der Schweiz, sondern wurde aus Deutschland, Frankreich oder der Tschechoslowakei beschafft.

Dass es sich bei Hopfen und Malz fast immer stets um Importgüter handelte, interessierte die Biertrinkerinnen und Biertrinker lange kaum.

«Seinerzeit wurde die spezielle Braugerste in der Schweiz nicht angebaut. Einerseits fehlte dazu das Wissen und die Gewohnheit und andererseits wäre sie nicht subventioniert und dadurch viel zu teuer geworden», sagt Reto Preisig, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Brauerei Schützengarten.

Dass es sich bei Hopfen und Malz fast immer stets um Importgüter handelte, interessierte die Biertrinkerinnen und Biertrinker lange kaum. Eine Rückbesinnung auf das Lokale setzte erst ein, als viele grosse Schweizer Brauereien bereits von den zwei internationalen Grosskonzernen übernommen waren.

Rund um die Jahrtausendwende begannen einige unabhängige Brauereien, lokales Getreide für ihre Biere zu suchen. Mit einem Anteil alternativer Getreidesorten wie Dinkel oder Mais brachte etwa die Brauerei Rosengarten in Einsiedeln bereits vor Jahrzehnten (Maisgold: 1980, Dinkel 1996) etwas mehr Abwechslung und Regionalität in die Bierflasche.

Auch in der Ostschweiz tat sich einiges, wo die Brauerei Locher, Brauvision Monstein und die Bieraria Tschlin zumindest teilweise in der Schweiz und insbesondere in Graubünden angebaute Braugerste für ihre Biere verwendeten und noch immer verwenden. Im Aargau war es die Brauerei Müller, die ein Bier mit Urweizen- bzw. Einkorn-Basis lancierte.

Doch bis das Getreide auch in der Schweiz zu Malz weiterverarbeitet werden konnte, sollten weitere Jahre vergehen, denn Schweizer Mälzereien gab es nicht mehr – bzw. noch nicht.

Ein weiteres Puzzleteil für mehr Swissness

In den letzten Jahren ist an verschiedenen Orten einiges geschehen und bald dürfte gar in allen Sprachregionen der Schweiz gemälzt werden. In der Romandie etwa die Genossenschaft Malticulture im Kanton Jura, die auf Initiative einer Mikrobrauerei zurückgeht, oder in Bavois im Kanton Waadt.

Dort haben im Jahr 2015 Françoise und Joaquim Vez auf ihrem Hof mit dem Anbau von Braugerste und dem Mälzen begonnen. In der eigenen Mikrobrauerei werden Biere mit hauseigenem Malz gebraut, gleichzeitig beziehen andere kleine Brauereien in der Region Malz von der Hofmälzerei der Familie Vez.

Auch in Genf wird seit einigen Jahren gemälzt und demnächst wollen auch die Tessiner in Cadenazzo mit einer Mälzerei starten. In der Deutschschweiz ist es Urs Lüthy, der im aargauischen Muhen in Handarbeit sein eigenes Getreide zu Malz verarbeitet. Dieses ist jedoch nicht für Bier, sondern für Whisky bestimmt.

Bei Urs Lüthy ist der Mälzprozess noch mit viel Handarbeit verbunden.

Schon im Herbst soll das erste Korn im aargauischen Möriken-Wildegg keimen (siehe Interview: BAR NEWS 2|2021 Seite 76) und für das Jahr 2022 ist eine Mälzerei im thurgauischen Eschlikon mit einem Ausstoss von ca. 2 200 Tonnen pro Jahr geplant. Weiter gibt es Bestrebungen der IG Juramalz, eine Mälzerei in der Region Basel zu bauen.

Doch trotz der Vielzahl an Projekten wird Schweizer Malz vorerst kaum zum Standard in jedem Schweizer Bier werden. Der Preis für Schweizer Malz übertrifft jenes für Importware etwa um ein Dreifaches. Daher wird es kaum beim günstigen Dosenbier aus dem Discounter zum Einsatz kommen, sondern eher bei Spezialitätenbieren der innovativen Craft Beer-Szene.

Der Preis für Schweizer Malz übertrifft jenes für Importware etwa um ein Dreifaches.

Hier ist Swissness nicht nur ein attraktives Verkaufsargument, auch die Zahlungsbereitschaft der Kundschaft ist um ein Vielfaches höher. Deshalb dürfte man in Bier-Shops oder in der gehobenen oder auf Craft Beer spezialisierten Gastronomiebetrieben in den kommenden Jahren durchaus noch mehr Swissness im Schweizer Bier erwarten.

Etwas mehr Geduld wird man für Single Malts mit Schweizer Malz benötigen, da diese ja jeweils noch einige Jahre im Fass verbringen müssen.

Kleiner Tipp: Wer nicht zwingend «besser, aber länger» warten möchte, behelfe sich einer Ovomaltine oder einem anderen malzhaltigen Heissgetränk seiner Wahl.

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