Blick ins Bierglas

Gose und Geuze

Auf der einen Seite ein alter Deutscher Bierstil, der heute auf der ganzen Welt hergestellt wird und je nach Interpretation auch an einen Frucht-Smoothie erinnert. Auf der anderen Seite ein Bier, welches von einigen als «Champagner Belgiens» bezeichnet wird. Doch wer genauer hinschaut findet bei den Bierstilen «Geuze» und «Gose» erstaunliche Ähnlichkeiten.

Bei manchen Getränkebestellungen droht Verwechslungsgefahr. Erst recht, wenn man mit der lokalen Trinkkultur noch nicht ganz so vertraut ist. So kann aus einem Cüpli auch schnell mal ein «Hümpli» werden. Und anstelle von einem Glas Champagner steht dann plötzlich ein grosses Bier auf dem Tisch. Na gut. Kann passieren.

Verwechslungsgefahr droht auch bei den beiden Bierstilen, die wir uns heute etwas genauer anschauen. Zumindest wenn sie falsch ausgesprochen werden. Doch beim genaueren Hinschmecken kann man auch in der Aromatik eine gewisse Ähnlichkeit feststellen.

Die Besonderheit des Gose ist seine salzige Note.

Das Gose (sprich: Gose) ist ein historisches Weizenbier mit einer säuerlichen Note. Es ist ein Bierstil, der lange Zeit in Vergessenheit geraten ist und sich erst seit einigen Jahren wieder wachsender Beliebtheit erfreut. Zudem ist die Aromatik des Gose-Bieres, zumindest historisch gesehen, stark vom Terroir geprägt.

«Schaumbier» aus Belgien

Exakt dasselbe kann auch über das Geuze (sprich: Göös) gesagt werden. Doch hier enden auch schon die Gemeinsamkeiten. Schauen wir uns daher die Unterschiede an. Das Geuze ist eines von mehreren klassischen Sauerbieren aus Belgien. Genauer beschreibt ein Geuze einen Blend aus älteren und jüngeren Lambic-Bieren.

Das besondere an Lambics: den Bieren wird keine Hefe zugesetzt. Das Bier vergärt meistens in hölzernen Behältern mit den wilden Hefestämmen und Mikroorganismen, die in Brüssel und flussaufwärts entlang der Senne südlich der belgischen Hauptstadt vorherrschend sind.

Lambics sind an und für sich sehr trocken, herb und – bedingt durch die oft mehrjährige Fermentation und Lagerung – ohne Kohlensäure.

Da während der warmen Monate zu viele schädliche Mikroorganismen in der Luft sind, können Lambics nur im Winterhalbjahr gebraut werden. Ein Zeitfenster, das wegen dem menschengemachten Klimawandel kleiner wird.

Lambics sind an und für sich sehr trocken, herb und – bedingt durch die oft mehrjährige Fermentation und Lagerung – ohne Kohlensäure. Wenn man nun aber ältere Lambics mit jungen, noch nicht komplett vergorenen Lambics (heisst in dem Fall ca. ein Jahr alt) vermischt und abfüllt, entsteht durch die zweite Gärung in der Flasche ein kohlensäurehaltiges Bier – ein sogenanntes Geuze. Hätte man dem Lambic vor der Abfüllung noch Sauerkirschen hinzugefügt, wäre daraus ein Lambic Kriek geworden.

Für sogenannte «Fruit Lambics » können auch andere Früchte (zum Beispiel Himbeeren) zum Einsatz kommen. Egal ob Kriek oder eben Geuze – die besten dieser Biere werden ungesüsst, ohne hinzugefügte Kohlensäure und wenn, dann mit richtigen Früchten hergestellt.

Wegen der Flaschengärung wird Geuze in der Regel in dickwandige 3,75- oder 7,5-dl-Flaschen abgefüllt und mit einem Korken verschlossen, wie man es von hochwertigem Schaumwein kennt. Kein Wunder, entstand dieser Bierstil doch erst etwa ein Jahrhundert nach der Entwicklung der traditionellen Champagner-Methode.

Gose: das neue India Pale Ale?

Nein, bis Sauerbiere die Popularität von IPA, NEIPA und Co. erreicht haben, dürfte es noch eine Weile dauern. Dennoch ist es keineswegs aus der Luft gegriffen, dem Gose eine rosige Zukunft zu prognostizieren. Denn das Comeback dieses Stils kann sich sehen lassen. Beim Gose handelt es sich um einen Bierstil, dessen Ursprung im Vergleich zum Geuze sogar noch einige Jahrhunderte weiter zurückreicht.

Namensgeber ist der Fluss Gose, von dem auch der Name der Niedersächsischen Stadt Goslar abgeleitet wird. Wie das Geuze wurde das Gose früher hauptsächlich mit wilden Hefen fermentiert. Eine Praxis, die auch nach dem Aufkommen von gezüchteten Hefestämmen beibehalten wurde und was dem Bier seine säuerliche Frische gibt.

Die Besonderheit des Gose ist jedoch seine salzige Note, welches das Bier historisch vom mineralstoffreichen Wasser des gleichnamigen Flusses hatte. Zudem werden dem Bier Koriandersamen hinzugefügt, was zwar nicht dem Reinheitsgebot entspricht – aber im Jahr 1516 interessierte es die Niedersachsen wohl kaum, welche Regeln das Weinland Bayern für die Bierherstellung erliess.

Mit dem Aufkommen von untergärigem Lagerbier im 19. Jahrhundert sank die Popularität des Gose dramatisch ab. Am längsten überlebt hat der Bierstil in Leipzig, wo er noch vor der Craft Beer-Bewegung wieder zulegen konnte.

Da sich das Gose schon seit Längerem von seinen geografischen Wurzeln entfernt hat, erstaunt es auch nicht, dass Gose heute rund um die Welt produziert wird.

Im Unterschied zum Geuze, dessen Brautradition die belgischen Brauereien mal besser mal schlechter zu schützen versuchen, ist das Gose ein Stil, dem sich alle annehmen dürfen – und dies auch tun.

Mehr Mango-Smoothie denn Gose im ursprünglichen Sinn. Was Brauereien unter dem Bierstil Gose verstehen, unterscheidet sich oft diametral.

Der Coiffeur-Salon unter den Bieren

Aus diesem Grund beschränken sich heutige Gose-Biere kaum ausschliesslich auf leichte Biere mit einer feinen Korianderund Salznote, die in offenen Gärbottichen spontanvergoren wurden.

Wesentlich häufiger trifft man heute Gose-Biere von jungen Brauereien an, bei denen quasi «domestizierte» wilde Hefe- oder Bakterienstämme zur Anwendung kommen. Teilweise kommt die Säure aber auch ganz einfach von Zitrus- oder anderen Früchten.

Gut möglich, dass, wer heute in der hippen Hipster-Bier-Bar ein Gose bestellt, ein Bier serviert bekommt, das einem Mango-Smoothie ähnlicher ist als einem Gose im ursprünglichen Sinn. Dass sich das Gose zum neuen Lieblings- Stil vieler nerdiger Bier-Freaks gemausert hat, liegt einerseits sicher daran, dass es von Mikrobrauereien rund um die Welt hergestellt werden kann.

Einen kleinen Aspekt wird sicher auch das Wort «Gose» gehabt haben, das im Englischen zu allerlei Wortspielen einlädt: There She Gose, Here Gose Nothin’, Gosebusters, La Vie en Gose, Goses are Red oder Puns & Goses.

Der spielerische Umgang mit dem Bierstil Gose – was sowohl das Wort als auch die Würze betrifft – steht im starken Kontrast zu der jahrhundertealten Geuze- und Lambic-Tradition.

Dennoch lohnt es sich, beiden Kategorien eine Chance zu geben – erst recht jetzt, denn gerade bei heissen Temperaturen sind diese Sauerbiere absolut genial.

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