Hidén Harlekin gewinnt Award «Best Newcomer Bar»

«Die Füchse spielen einen Streich»

Der Award «Best Newcomer Bar» geht ins Jazz-Teehaus Hidén Harlekin, welches japanische Kultur nach Zug bringt. Mit täglichen Live-Konzerten, Jam-Sessions und asiatisch angehauchten Cocktailkreationen werden die Gäste der Kissa in eine andere Welt gelockt.
Kevin Taró Bicker im Hidén Harlekin

Der Eingang zu einer vergangenen Zeit befindet sich in einem unscheinbaren Gang der Bahnhofstrasse Zug. Die melodischen Klänge einer einst verbotenen Musik geleiten die Mutigen hinunter in eine subterrane Parallelwelt, fern von all dem, was bekannt ist. Eine andere Realität, in der die Zeit stillsteht, die Gedanken zur Ruhe kommen und selbst die Nüchternsten das Träumen neu erlernen. Seit Anfang letzten Jahres wartet am Ende dieser magischen Treppe das Hidén Harlekin.

Ein japanisches Teehaus, in welchem sich seine Gäste in eine andere Welt zurückziehen können. Die Jazz Kissa haben ihren Ursprung im Zweiten Weltkrieg. Als die amerikanischen Soldaten nach Japan kamen, brachten sie auch den Jazz. Die japanische Regierung verbot jedoch bald diese Art von Musik – the musik of the enemy – und so verschwand der Jazz in der Untergrundwelt. Man spielte sie heimlich in unterirdischen Kissas, wo sich bald Persönlichkeiten unterschiedlichsten Nationalitäten aus verschiedensten Berufsgruppen im Untergrund trafen, und sie alle trugen Kreativität in ihren Herzen.

Sie kamen an diesen geheimen Orten zusammen, in welche man nur durch Empfehlung hineingelangte, und liessen sich von der Musik in eine ferne Welt tragen. Weit weg von der grausamen Realität des Krieges. Auch heute noch gibt es diese Kissas in Japan, wo sich Menschen treffen und dem Alltag entfliehen. «Nicht so sehr eine Form des Eskapismus, sondern eher ein Abtauchen, um Energie zu tanken», erklärt Kevin Taró Bicker. Seine Verwandten nahmen ihn schon als kleinen Jungen mit in das Kissa. «Ich fand das toll. Für mich war es ein bisschen wie im Disneyland», sagt Bicker, der die ersten Jahre seiner Kindheit in Kyoto, der Heimatstadt seiner Mutter, aufwuchs.

Seit seiner Schulzeit lebte die Familie zwischen Japan und der Schweiz. «Mein Vater ist aus Zug, deswegen auch die Lokation hier», erzählt der Inhaber der Hidén Harlekin. Es sei schon seit jeher sein Traum gewesen, sein eigenes Kissa zu eröffnen. Auch sein Vater ist begeistert und unterstützt seinen Sohn, wo er kann. «Er übernimmt das ganze Finanzgerüst, hilft aber auch sonst, wo er nur kann», sagt Kevin Taró anerkennend.

Alle packen gemeinsam an

Bicker ist eigentlich hauptberuflich Künstler, Kalligraf in dritter Generation. Sein Onkel, Grossvater und Urgrossvater waren bedeutende Kalligrafen in Kyoto. Unter dem Namen Taró Nordberg arbeitet er heute als Kalligraf, Künstler und Interior Designer. Seine künstlerischen Fähigkeiten hat er auch in seiner Kissa integriert.

Da das Lokal, ehemals als Topas Club bekannt, komplett renoviert werden musste, nahm Bicker das Design und den Vorschlaghammer selbst in die Hand. Und nicht nur er, auch Familie und Freunde packten tatkräftig mit an. Natürlich hatten sie bei der Renovierung auch zwei hervorragende Bauleiter und einige Bauarbeiter, doch dem 32-Jährigen war es wichtig, auch selbst dabei zu sein.

Für die ledernen Polsterecken engagierte er einen Fachmann, einen Polsterer zweiter Generation, wie es heisst: «Sein Vater hat damals die Lehre als Polsterer in Paris gemacht», sagt Kevin Taró. «Auch die Tapeten sind handbedruckt», erklärt er und zeigt auf die edle Wanddekoration. «Der schönste Moment war, als die Tapeten klebten und die Sitzecken fertig waren. Als wir dann in der Polstergruppe sassen, war es das erste Mal, dass es mehr einem Kissa ähnelte als einer Baustelle», lacht er.

Der offene Raum bietet jetzt viele unterschiedliche Sitzgelegenheiten für jeden Geschmack. Gemütliche Couchecken, die zum gemeinsamen Verweilen einladen. Kleine Tische, mittig im grossen Raum mit optimaler Sicht auf die Bühne und ihre musikalischen Akteure. Versteckte Winkel für das intime Tête-à-Tête. Oder die weitläufige Bar für die kontaktfreudigen Einzelgänger. Auch die Bar wurde natürlich für das Kissa massgeschneidert. In einer grosszügigen U-Form ziert sie das obere Ende des Raumes, genau gegenüber der abendlich belebten Bühne.

Es müssen japanische Ingredienzien verwendet werden

Die künstlerische Gestaltung der Barkarte überlässt Bicker jedoch anderen. Unter der Leitung von Pascal Schönenberger werden die Gäste mit neuen und klassischen Cocktailkreationen mit japanischem Touch verwöhnt. Die einzige Vorgabe: Es müssen japanische Ingredienzien verwendet werden. «Pascal, Brian und Madhu machen das super. Sie sind mittlerweile sehr gute Freunde für mich geworden », lobt Bicker sein Barteam.

Für den kleinen Hunger ist ebenfalls gesorgt. Der japanische Sushi-Meister Toshiro, ehemals Head Sushi Master im Mandarin Oriental in Luzern, ist jeweils von Donnerstag bis Samstag mit Donburi Spezialitäten vor Ort und verwöhnt die Gäste des Hidén Harlekin mit seinen japanischen Delikatessen. Musikalische Unterhaltung steht auf dem Tagesprogramm. Vor allem die Koordination und die Abläufe der Konzerte und Musiker bereiteten dem Besitzer zu Beginn viel Kopfzerbrechen.

Für die kostspielige Finanzierung der Musiker kommen sowohl Gäste, die Eintritt zahlen auf, als auch die Stadt Zug: «Wir sind sehr froh, dass wir mit der Stadt Zug einen coolen Partner haben, der uns mit Fördergeldern unterstützt. Für die Musik, für die Kultur », erklärt Bicker erleichtert. Jeden Mittwoch bietet das Jazz Kissa Live-Piano-Musik. Donnerstags gibt es Jam- Session, bei der jeder mit Musikerfahrung auf die Bühne kann. Sowohl Jazz als auch Blues ist an diesem Tag willkommen.

Jeden Freitag spielt ein Quartett und ein- bis zweimal im Monat gibt es am Samstagabend eine Spezialband. «Dann haben wir auch andere Events wie Burlesque- Shows», sagt der Kissa-Besitzer. Seine künstlerische Handschrift ist in vielen kleinen Details erkennbar. Auf dem Bartresen stehen handgeschriebene Flyer, auf denen der Wochencocktail zu lesen ist.

In elegantester Kaligrafie. Und die japanische Kultur zieht sich wie ein feiner roter Faden durch alle Elemente und widerspiegelt die Philosophie der japanischen Kultur und der Kissa – vom Namen über das Logo bis auf die Barkarte. Hidén bedeutet auf Japanisch das Tor zu einer anderen Welt. Harlekin ist eine Trickster-Figur. Es ist eine Theater-Figur aus dem Italienischen, die einen hinters Licht führt. Aber nicht im negativen Sinn, wie Bicker beteuert, sie offenbart eine andere Realität.

Die Hochzeit der Füchse

Der Fuchs, der auf dem Logo zu finden ist, ist das Symbol für den Harlekin und der Spruch «Kitsume no Yomeri», der in der Karte erscheint, bedeutet die Hochzeit der Füchse. Es ist eine Anspielung auf eine japanische Legende des 15. Jahrhunderts. «Die Leute fragten sich, woher der Regenbogen kam, nachdem der Regen verschwunden war und die Sonne schien. Sie sagten dann, es hätten zwei Füchse geheiratet, die nun einen Streich spielten. Darum ist im Logo ein Schirm, die Sonne in der Mitte und unten der Fuchs», gibt der Künstler Einblick in seine Kultur.

Das Logo des Hidén Harlekin hat er von Hand in Holz geschnitzt und daraus einen Stempel machen lassen. Dieser verziert die grossen, glasklaren Eisblöcke für die Drinks. Das Publikum dieses aussergewöhnlichen Ortes reicht von Jung bis Alt. «Von 25 bis 80 ist alles dabei», sagt der Zuger. Und genau so soll es auch sein. Die Einheimischen und auch die Expats, die hier in hohen Zahlen zu finden sind, will er mit seinem Angebot locken. Es soll wie ein zweites Zuhause sein, ein zweites Wohnzimmer, beteuert Kevin Taró.

Seit der Eröffnung hat sich einiges getan. Viele bekannte Gesichter, die immer wieder aufs Neue dem Jazz-Ruf folgen und abtauchen in die magische Welt der Kissa. Doch nicht von Anfang an war dies so. Da für das Lokal keine Werbung gemacht wurde, standen Bicker und sein Team zuerst oft alleine da. Es ist kein Ort, in den man zufälligerweise hineinläuft. Dafür ist der Eingang zu unscheinbar, die Lage zu versteckt. «Wir haben dann ein bisschen auf Social Media gemacht», sagt Kevin Taró Bicker, doch wirklich Werbung machen wollte er nicht. Er vertraut am meisten auf die Mund-zu-Mund-Propaganda, die sich auch in Japan stets bewährt hat. Mittlerweile habe sich das Kissa etabliert und schon viele Stammgäste gewonnen.

Eine weitere Jazz Kissa in Kyoto

Als Nächstes möchte der Musikliebhaber sogenannte «Listening Sessions» einführen. Das sind Veranstaltungen, typisch in Kyoto, Kobe, Osaka und Tokio, bei denen das Hören von Vinylplatten im Mittelpunkt steht. Ein Musik- Selektor wählt sorgfältig Platten aus und präsentiert sie, wobei das Publikum in der Regel dazu aufgefordert wird, still zuzuhören und sich voll auf die Musik zu konzentrieren. Gespräche sind in Japan bei den Listening Sessions verboten.

Doch ganz so strikt wird es im Hidén Harlekin dann doch nicht sein: «Zumindest zum Bestellen dürfen die Gäste reden», lacht Bicker. Ein weiterer Wunsch wäre es für den Kissa-Inhaber, noch ein Jazz-Teehaus zu eröffnen, und zwar in Kyoto, seiner zweiten Heimat. Für den Award der Best Newcomer Bar ist Kevin Taró sichtlich dankbar und bestärkt in seinem Vorhaben. Der Pokal steht bereits gut sichtbar in der Mitte des Barregals und krönt das ausgeleuchtete Sortiment.

Hidén Harlekin

Jazz Kissa Club
Bahnhofstrasse 30, Zug
hidenharklekin.com

Öffnungszeiten
MI: 19.00 – 00.00 Uhr
DO: 19.00 – 01.00 Uhr
FR – SA: 19.00 – 02.00 Uhr

Dieser Artikel erschien in
Ausgabe 5-2024

BAR NEWS-Magazin als Einzelausgabe

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