Blick ins Bierglas

Pilsner und Spezialbier

Streitigkeiten darüber, wie ein Getränk heissen soll, kennt man in unserer Industrie zur Genüge. Diese weisen dann entweder einen politischen, nationalistischen oder markenrechtlichen Beigeschmack auf. Na gut, dann hat man während dem Biertrinken wenigstens etwas zu diskutieren.

Emmentaler, das ist der Käse mit den Löchern. Pils, das ist ein Bier, das erstmals vom deutschen Braumeister Joseph Groll in der böhmischen Stadt Plzeň (deutsch: Pilsen) gebraut wurde. Doch in diesem Text geht es nicht um Food-Pairing. Die beiden Erzeugnisse verbindet etwas anderes.

Während man in der Tschechischen Republik nur Emmentaler aus der Schweiz findet, dürf(t)en hierzulande nur tschechische Biere mit dem Namen «Pilsner» oder «Pils» verkauft werden. Dies geht auf den Handelsvertrag zwischen der Schweiz und der Tschechoslowakei aus dem Jahr 1927 zurück.

Wenige Jahre zuvor ist die junge Republik aus der Habsburger-Monarchie Österreich-Ungarn hervorgegangen. In den folgenden Jahrzehnten wurde der Schutz des Pilsners mehrmals erneuert und dieser dürfte vorerst auch bestehen.

Beim Pilsner darf man ein mit hellem Malz, im besten Fall mit Saazer Hopfen, gebrautes untergäriges Bier erwarten, das einen etwas höheren Alkoholgehalt als das einfache Lagerbier aufweist.

Erst vor fünf Jahren hatte CVP-Nationalrat Alois Gmür (heute Die Mitte), der gleichzeitig Braumeister der Brauerei Rosengarten AG ist, ein Postulat eingereicht, damit auch in der Schweiz Pilsner hergestellt werden kann.

Der Bundesrat lehnte mit der Begründung ab, dass der Vertrag mit den beiden Nachfolgestaaten der Tschechoslowakei nach wie vor von Bedeutung ist – und dass im Gegenzug in der Tschechischen Republik und in der Slowakei ja auch kein «Baarer Bier», «Calanda Bier», «Engadiner Bier» oder «Uster Bier» produziert werden dürfe.

Daher kann man Pilsner in der Schweiz quasi mit den Marken Pilsner Urquell und Budweiser (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen US-Marke von Anheuser-Busch) gleichsetzen.

Doch was trinkt der deutsche Gast, wenn er oder sie in der Schweiz ein lecker Pils trinken will?

Nun ja. Andere Länder produzieren kein Uster Bier, dafür reichlich Pils. Neben Tschechien, allen voran: Deutschland. Dort gilt das Pils gemäss dem Deutschen Brauer-Bund als das beliebteste Bier und mache im Norden des Landes fast 70 Prozent des Biermarktes aus.

Doch was trinkt der deutsche Gast, wenn er oder sie in der Schweiz ein lecker Pils trinken will? In der Schweiz hält man am besten Ausschau nach einem Spezialbier. Das Problem dabei: Es ist ein nichtssagender Begriff. Beim Pilsner darf man ein mit hellem Malz, im besten Fall mit Saazer Hopfen, gebrautes untergäriges Bier erwarten, das einen etwas höheren Alkoholgehalt als das einfache Lagerbier aufweist.

Natürlich darf der Schaum auf der eleganten Pils-Tulpe nicht fehlen, der durch den höheren Hopfenanteil auch besonders gut und lange hält.

Ein Spezialbier hingegen weist aus rechtlicher Perspektive einen Stammwürzegehalt von 11,5 bis 14 Prozent auf; die Kategorie ist primär für die Besteuerung relevant. Es ist daher naheliegend, dass eine Sachbezeichnung (die auch auf ein IPA, ein Stout oder ein Weihnachtsbier zutreffen kann) nicht mit dem klar definierten und positiv konnotierten Begriff des Pils mithalten kann.

Daher tragen Biere, die nach Pilsner Art gebraut wurden, neben der Sachbezeichnung Spezialbier meist Fantasienamen wie Hopfenperle oder Braugold. Zudem weisen sie meist einen Alkoholgehalt von 5,2 Vol.-% auf.

Doch der Schweizer Sonderweg beim Umgang mit dem Pils trägt auch Früchte, wie das Beispiel des dunklen Spezialbiers beweist.

Dieser Artikel erschien in
Ausgabe 4-2022

BAR NEWS-Magazin als Einzelausgabe

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