Wenige Tage sind seit der Preisverleihung vergangen. «Erst jetzt beginne ich wirklich zu begreifen, was passiert ist. Gestern war alles ein bisschen blurry. Heute kann ich wieder klar denken», sagt Michael Müller mit einem zurückhaltenden Lächeln. «Es fühlt sich super an. Wie eine Erleichterung. Die harte Arbeit hat sich ausgezahlt.» Drei Mal stand Müller im Finale der SWISS BAR AWARDS. 2019, 2022 und nun, 2025. Beim dritten Versuch hat er gewonnen.
«Third Time’s the Charm» nannte er seine Cocktail-Kreation. Ein augenzwinkerndes Motto, das sich im Nachhinein als Prophezeiung erwiesen hat. Schon vor dem Finale hatte er beschlossen: Es wird das letzte Mal sein, egal wie es ausgeht. «Ich mache immer noch Competitions, aber die SWISS BAR AWARDS waren wohl das letzte Mal. Es kostet einfach sehr viel Zeit.» Der Ehrgeiz blieb trotzdem. «Ich bin nicht jemand, der etwas nicht hinkriegt.»

Dennoch begegnet Müller diesem Wettbewerb mit Gelassenheit statt Druck. «Ich habe gelernt, es mehr zu geniessen, statt alles zu überdenken.» Statt Lampenfieber setzt er auf Achtsamkeit. «Tief durchatmen, um nicht zu hyperventilieren», sagt er mit ruhiger Stimme. Ein Ritual, das ihm hilft, die Kontrolle zu behalten in solchen Stresssituationen. Dass er nicht gleich beim ersten Versuch gewann, nennt Müller rückblickend «das Beste, was passieren konnte». Es habe ihn am Boden gehalten. «Man gewinnt nicht immer», sagt er, «aber man lernt jedes Mal.»
Vom Nil an den Vierwaldstättersee
Geboren und aufgewachsen in Kairo, kam Michael Müller 2009 mit 18 Jahren in die Schweiz. Der ursprüngliche Plan, an die Hotelfachschule zu gehen, ging jedoch nicht auf. Er war zu jung. Somit schrieb er sich am International Management Institute Luzern ein und schloss dort den Bachelor in Hotel & Events Management ab. Die ersten Jobs führten den Absolventen an die Rezeption und ins Fine Dining. Stationen, die ihn nicht erfüllten. «Es war zu steif. Ich konnte nicht ich selbst sein.»
Sein Weg an die Bar begann zufällig. Im damaligen Hotel Palace in Luzern wurde Müller als Servicemitarbeiter im Restaurant immer wieder gebeten, an der Bar auszuhelfen. «Der Barchef hat immer gesagt: Schick mir den Mike!» Irgendwann verliess der Chef de Bar die Stelle und Müller stand plötzlich allein hinter dem Tresen. In einer 5-Sterne-Bar, mit amerikanischen Gästen, die perfekte Old Fashioneds erwarteten. «Ich konnte damals nur einen mässigen Caipirinha», erinnert er sich und lacht. «Ich habe katastrophale Martinis serviert und ordentlich Kritik bekommen.»

Statt aufzugeben, wurde sein Ehrgeiz geweckt. Der damals unerfahrene Barkeeper tauchte in die Welt der Mixologie ein. Nach Feierabend las er Bücher, schaute Videos, studierte Rezepte. «Ich hatte nur ein altes Schumann- Buch, aber das war mein Anfang.» Bald übernahm er Verantwortung für die Bar. Zunächst inoffiziell, dann endlich auch offiziell. Als das Hotel schloss und vom Mandarin Oriental übernommen wurde, verschlug es ihn für kurze Zeit in die Dominikanische Republik.
Von dort erhielt er einen Anruf: Der Barchef im Château Gütsch sei ausgefallen. Müller kam zurück, sprang ein und blieb. Heute leitet er die Bar seit acht Jahren. «Ich bin eher loyal», sagt er schlicht. «Ich hatte eigentlich nur zwei echte Stationen.»
Gastgeber aus Leidenschaft
Die Leidenschaft fürs Gastgeben liegt in seiner Familie. Der Vater war Koch und Metzger, die Mutter arbeitete im Service. «Ich bin in Bars aufgewachsen. Habe dort meine Hausaufgaben gemacht, Dart gespielt. Für mich war das normal.» Gastfreundschaft ist für ihn kein Schlagwort, sondern der Kern seines Berufs. «Ich mache gerne ein Grinsen aufs Gesicht», sagt er. «Wenn Gäste den ersten Schluck nehmen und sich ihre Körperhaltung verändert, das ist der schönste Moment.»

Er liebt es, Geschichten zu erzählen: über Spirituosen, Herkunft, Menschen. «Die Gäste sind das Beste, und manchmal auch das Schwierigste, am Beruf», fügt er ehrlich hinzu. In fünf bis zehn Jahren sieht er sich noch immer an der Bar, «vielleicht nicht mehr 100 Prozent hinter dem Tresen». Nebenbei will er sich stärker dem Consulting widmen, vor allem in Ägypten und im Nahen Osten. Sein Traum: eine kleine Bar am Roten Meer. «Ein paar gute Cocktails, Sonne, Tauchen – das wär’s.» Bis dahin steht er weiter im Château Gütsch.


