BAR NEWS: Was motiviert Sie, täglich im Geschäft zu sein und das Unternehmen voranzutreiben?
Urs Ullrich: Ja, sicher die vielfältigen fantastischen Gestaltungsmöglichkeiten, um mit den Mitarbeitenden Projekte und Ideen zu realisieren. Gerade auch in dieser heutigen etwas schwierigeren Zeit. Zurzeit haben wir so viele spannende Projekte am Laufen wie noch nie in unserer ganzen Firmengeschichte.
Wie würden Sie Ihren Ansatz zur Führung beschreiben?
Ich glaube, meine Aufgabe ist das Befähigen der Mitarbeitenden. Ich habe sehr viele Leute ausgebildet. Natürlich haben auch viele Leute im Laufe dieser Jahre das Unternehmen auch wieder verlassen und ihre Karriere an anderen Orten fortgesetzt. Aber ich glaube, es geht darum, dass die Mitarbeitenden ernst genommen werden und auftretende Probleme aus dem Weg geräumt werden, um die gewünschten Unternehmensziele zu erreichen. Ich bin nicht der Motivator, ich glaube, das ist auch nicht meine Aufgabe als Vorgesetzter. Vielmehr möchte ich mit motivierten Mitarbeitenden zusammenarbeiten.
Sie gelten als Person mit einem sehr grossen Fachwissen – wie ist das gekommen?
Ich darf es fast nicht verraten. Angefangen hat das mit meiner Frau. Sie ist im Jahr 1996 in die Firma eingetreten. Vorher arbeitete sie bei Moevenpick. Sie brachte ein sehr fundiertes Wissen mit. Von ihr habe ich sehr viel gelernt. Neben viel Wissensaneignung bei Messebesuchen, Produzentenbesuchen und Studium von viel Fachliteratur habe ich dann vor vielen Jahren die Ausbildung zum Weinakademiker gemacht. Neben der täglichen Arbeit eine sehr herausfordernde, aber äusserst spannende Zeit.
Und dann war da das grosse Interesse an der Branche.
Meine Vorgänger und mein Vater waren eher die Kaufleute. Bei mir ist erst mit der Übernahme des Geschäfts der Sinn für das Kaufmännische so richtig erwacht. Es hat sich aber schnell auch eine Passion entwickelt und darum heisst die Firma heute Ullrich Passion for Liquids. Der Gedanke dahinter ist, dass wir einen Wert haben mussten, den wir auch leben. Es ist die Leidenschaft für Getränke und deshalb auch dieser Slogan.
Urs Ullrich persönlich
Alter: 55
Zivilstand: verheiratet mit Jaqueline (auch in der Geschäftsleitung)
Kinder: Drei, im Alter von 23 / 20 / 17
Frühere Arbeitsgebiete: Marketingagentur, anschliessend tätig im Finanzsektor in Genf.
Freizeitgestaltung: Viel Sport, Schwimmen, Rennvelofahren, Biken. Früher wettkampfmässig Triathlon und Marathon und extrem das Infernorennen, welches am Thunersee mit Schwimmen startet und auf dem Schilthorn nach einem Berglauf endet. Dazwischen wird noch Rennvelo und Bike gefahren.
Lieblingsort: Segelboot auf dem Neuenburgersee
Lieblingsspirituose: Rum in allen Facetten
Wieso hat es so lange gedauert, ein etwas moderneres Erscheinungsbild zu entwickeln?
Ja, es hat lange gedauert. Ich habe fast 25 Jahre gebraucht, um diesen Schritt zu machen, weil die Firma Paul Ullrich AG geheissen hat und mit einem etwas altmodischen Schriftzug am Markt war. Ich habe mich nicht getraut, das Alte über Bord zu schmeissen. Vor fünf Jahren war es dann aber so weit. Wir haben das Rebranding gemacht. Eine Agentur aus Zürich hat uns dabei unterstützt. Die letzten sechs Monate vor der Einführung waren dann die intensivsten, da haben wir auch viel an der DNA des Unternehmens geschraubt. Heute bin ich sehr glücklich und zufrieden, wie es herausgekommen ist und wie wir heute gesehen werden.
Sie sind beruflich viel unterwegs. Gibt es da eine Lieblingsdestination?
Ganz klar Portugal, ist schlichtweg für mich das Weinland mit den spannendsten Regionen. Ich kann dieses Land jedem empfehlen – nicht nur Weinfreunden.
Wie hat sich das Unternehmen in den letzten zehn Jahren entwickelt?
Wir sind sehr stark gewachsen; einerseits durch den Ausbau des Filialnetzes. Wir haben drei Geschäfte in Basel, ein Geschäft in Zürich, drei Läden in Bern und Filialen in Morges und Chur. Auf der anderen Seite haben wir in den letzten Jahren viele tolle Marken-Vertretungen übernehmen dürfen und so ist das dann eigentlich zügig vorwärtsgegangen.
Das mit den Vertretungen: Sucht ihr da aktiv oder werden sie euch angeboten?
Es ist ein bisschen beides. Es ist natürlich so, dass man einen gewissen Ruf hat, wenn man Dinge gut macht oder eine Marke erfolgreich im Markt positioniert. Das spricht sich auch herum. Es ist eine kleine Welt, wo man sich auch schnell einmal kennt. Auf der anderen Seite kriegen wir auch wöchentlich mehrere Angebote von Winzern und von Spirituosenproduzenten, die Distributoren für den Vertrieb in der Schweiz suchen. Eine spannende Geschichte.
Als Sie das Unternehmen vor über 30 Jahren übernommen haben, waren sie acht Leute, heute beschäftigen Sie 120 Personen. Welches sind die Erfolgsfaktoren?
Gut ausgebildete Mitarbeitende, ein gutes Produktportfolio und zufriedene Kunden.
Was unterscheidet Ullrich von den Mitbewerbern?
Schwierige Frage. Ich denke, wir sind sehr innovativ und versuchen immer den Blick darauf zu werfen, was wohl morgen gefragt sein könnte. Natürlich gehört auch etwas Glück dazu, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Marken an Bord zu haben. Und wir sind entscheidungsfreudig.
Hat der Erfolg vielleicht auch etwas mit kurzen Entscheidungswegen zu tun?
Sicher. Wir sind in der Geschäftsleitung vier Personen, also schlank organisiert mit wenig Hierarchiestufen.
Können Sie uns etwas über spannende Projekte bei Ullrich erzählen?
Das Thema KI beschäftigt uns aktuell sehr und wir haben gerade drei Projekte am Laufen. Es ist superspannend und wir freuen uns auf die ersten Resultate.
In welche Richtung gehen diese Projekte?
Das eine ist im Bereich Bestellungsautomatisierung. E-Mails mit Kundenbestellungen werden automatisch ausgelesen und so ins SAP eingespiesen und mit den richtigen Daten versehen. Ein anderes Projekt ist ein Planungstool zur Beschaffung. Hier wird ermittelt, ob es sich zum Beispiel um einen saisonal abhängigen Artikel handelt, der anders beschafft werden muss. Aufgrund der verschiedenen Daten wird mit KI die optimale Beschaffungsmenge vorgeschlagen unter Berücksichtigung der Lieferantendaten, wie lange er für die Belieferung braucht. So hoffen wir, den Bestellprozess und die Lagerbewirtschaftung zu optimieren. Und das letzte ist, dass wir ein eigenes DMS haben, welches wir mit Dokumenten unserer Lieferanten füttern und diese dann weiterverarbeiten. Und diese Wissensdatenbank kann dann in vielen Bereichen schnell und umfassend weiterhelfen.
Oft wird Ihnen nachgesagt, dass Ullrich mit Grauimporten in der Schweiz viel Geld verdient. Wie ist dieses Image entstanden und was können Sie heute dazu sagen?
Ich sehe mich eher als einen Winkelried der Schweizer Spirituosenbranche. Ich meine, wir haben Situationen gehabt, dass wir von grossen namhaften Konzernen als kleiner Händler nicht die richtigen Preise gekriegt haben. Mit der Liberalisierung im Jahr 1999 konnten die Fesseln abgelegt werden und überall eingekauft werden. Dann bin ich zu Kollegen in der Branche gegangen und habe gesagt: «Du ich bestelle mir den einen oder anderen Markenartikel, brauchst du auch?» und so hat dann das eigentlich angefangen, dass wir gewisse Produkte importiert haben. In der Zwischenzeit sind doch einige Jahre vergangen und vieles hat sich verändert. Manche grossen Konzerne haben gemerkt, dass Ullrich in der Schweiz ein wichtiger Marktteilnehmer ist, und die Preispolitik so angepasst, dass wir wettbewerbsfähig sein können.
Ullrich führt sehr viele bekannte Markenprodukte im Sortiment.
Wir sind ein wichtiger Partner für diverse Konzerne, für die wir quasi den letzten Kilometer zum Kunden bewältigen, quasi eine Distributionsfunktion haben.
Man hört oft auch von kleineren Schweizer Produzenten, dass Ullrich für sie die Distribution macht. Was müssen diese Produzenten erfüllen?
Ja, ich denke, wichtig ist sicher einmal, dass das Produkt die Marktreife erlangt hat und Verpackung, Inhalt, Etikette und das Design gesamthaft stimmen. Dann muss aber auch die Preisabstufung stimmen. Dies ist oftmals ein rechter Diskussionsgrund, dass jeder auf seiner Wertschöpfungskette die entsprechende Marge hat, die man braucht, um seine Kosten zu decken. Das ist vielen Anbietern nicht immer bewusst. Genauso wichtig ist aber auch, dass der Markeneigentümer selbst Leads generiert und sein eigenes Netzwerk pflegt und aktiv seine Marke voranbringt.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Interview. Das vollständige Interview finden Sie in Ausgabe 4-2024.