Schon als Frederic Tudor, der «Ice King», Anfang des 19. Jahrhunderts gefrorenes Gold aus dem hohen Norden nach Kuba schiffte, damit die Wohlhabenden ihren Daiquiri oder Mojito kalt geniessen konnten, wurde das grosse Geschäft gewittert. Bald wurde das Eis unter aufwendigen logistischen Herausforderungen um den Globus transportiert. Der Wert des Eises verlor in den 80er-Jahren an Interesse, kommt aber heute stärker denn je zurück.
Eis hat einen neuen Status in der Barkultur erhalten, und in den neuen Konzepten wird die Eisproduktion als Priorität angesehen. Man darf also gespannt sein, wohin dieses Thema führt, doch eines ist klar – ohne Eis kann keine Bar heutzutage überleben. Wer hat schon einmal einen Cocktail in einer renommierten High-End-Bar bestellt und im Glas das berüchtigte, schnell schmelzende Hohleis gefunden? Ein absolutes No- Go in der heutigen Barwelt, in der wir uns zu etablieren versuchen. Doch ein Wandel steht bevor. Immer mehr Bars erkennen die Wichtigkeit des Eises. Sie investieren in Eismaschinen, die geschlossene, luftfreie Würfel produzieren.
Mit dem Verfahren des «Directional Freezing»* werden Eisblöcke eingefroren, um daraus grosse Eiswürfel zu schneiden oder zu schnitzen. Es gibt sogar Unternehmen, die sich auf verschiedene Grössen und Formen von Eiswürfeln spezialisieren und bereits Tausende an die Schauplätze des Schweizer Nacht-Bar-Zirkus liefern. Früher sogar, hat der Bartender grosse Eisblöcke auf dem Bartresen stehen gehabt, wo er massgeschneiderte Würfel oder Sphären schnitzen konnte. Der Aufwand und vor allem die Hygiene dabei sind fraglich, was dazu führte, dass dies kaum mehr angewendet wird. Doch was macht gefrorenes Wasser so besonders, und warum wird Eis oft als die teuerste Zutat eines Cocktails bezeichnet? Je nach Cocktail empfiehlt sich eine spezifische Eisform.
* «Directional Freezing» bezeichnet das Verfahren, mit dem man glasklares Eis gewinnen kann. Wichtig ist, dass das Wasser nur von einer Seite her gefroren wird, um die Luftpartikel, die die Trübung im Eis bilden, beim Gefrieren des Wassers nach unten zu drücken. Das Eis sollte aus seiner Form befreit werden, bevor es vollständig durchgefroren ist.
Old Fashioned Cocktails geniesst man beispielsweise über einem grossen Eisblock, um das Verdünnen durch geschmolzenes Eis zu verlangsamen. Klare Milk Punches in einem Longdrink-Glas werden gerne mit Eisstangen serviert, sodass das Auge nicht sofort erkennt, dass sich Eis im Glas befindet. Crushed Ice verwendet man, um Klassiker wie Mojitos oder Caipirinhas zu mixen oder schon fast wichtiger, um das Glas vorzukühlen. Eine ungewöhnliche Eisform sorgt immer für einen Überraschungseffekt, der oft einen bleibenden Eindruck hinterlässt, vor allem wenn sie massgeschneidert bzw. massgeschnitten ist. Bei genauerer Betrachtung kosten gute Eismaschinen viel Geld.
Zudem wird pro Cocktail bis zu 300 Gramm Eis benötigt – zum Vorkühlen des Glases, zum Kalt rühren oder shaken des Drinks und für das Abseihen über frisches Eis. Rechnet man die Kosten für Strom und Wasser sowie die Wartung der Maschine zusammen, ergibt sich jährlich eine beachtliche Summe. Entscheidet man sich zudem für den Bezug fertig geschliffener Eisblöcke mit Logo, muss man mindestens zwei Franken pro Cocktail aufschlagen, um eine halbwegs anständige Marge zu erzielen. Ich habe zurzeit das Gefühl, dass Eisverkäufer wie Pilze aus dem Boden wachsen.
Immer mehr Firmen bieten massgeschneiderte Eisoptionen an, die einen grossen Preiskampf nach sich ziehen. Der Würfel, mit einer Grösse von fünf auf fünf Zentimeter wird zwischen 80 Rappen und 2.30 Franken gehandelt. Fakt ist, der Gast folgt dem Trend, und immer mehr wird nach qualitativ hochwertigem Eis Ausschau gehalten. Ich habe vernommen, dass schlechtes Eis ein Grund für das Fernbleiben von einer Bar gewesen sei. Verständlich, wenn man bedenkt, dass man in einigen Betrieben um die 20 Franken für einen Cocktail zahlt.