Dank Sirups kriegt man unabhängig von der Jahreszeit den Geschmack von Erdbeere, Himbeere oder Melone ins Glas. Gleichzeitig lassen sich mit Geschmacksrichtungen wie Amaretto, Rum oder Bitter klassische Cocktails ohne oder mit nur wenig Alkohol imitieren. Experimentierfreudig? Dann ist es an der Zeit, Sirups mit dem Geschmack von Schwarzwäldertorte, Apfelkuchen oder Tiramisú zu testen.
Jedes Lokal hat eine kleinere oder grössere Auswahl an Sirups im Regal. Einige Sirups stehen in der Nähe der Kaffeemaschine, für Gäste, die ihren Latte Macchiato mit Caramel-, Haselnuss- und Amaretto-Sirup versüssen wollen. Ist der Betrieb den Tag über geöffnet, trinken Kinder Himbeer-Sirup.
Für Cocktails stehen Zucker-, Orgeat- und Grenadine- Sirup im Speed-Rack und seit dem Hugo wohl auch der Holunderblüten-Sirup bereit. Wer Zeit und Aufwand nicht scheut, mixt spezielle Eigenkreationen mit selbst gemachtem Sirup. Fast jeder Cocktail hat eine gewisse Süsse. Ob diese nun von einem Likör, einem süssen Wermut, Würfelzucker oder eben Sirup kommt, spielt in diesem Sinne eine untergeordnete Rolle.
Die Süsse dient dazu, eine Balance zwischen der Säure und dem Alkohol herzustellen. Zucker verleiht einem Drink zudem ein angenehmes Mundgefühl. Doch wie bei allem ist es auch hier eine Frage der Dosierung; zu viel Zucker macht jeden Drink ungeniessbar.
Zucker oder Zuckersirup?
Greift man für einen Drink besser zum Zucker oder bedient man sich besser beim Zuckersirup? Gar nicht eine so einfache Frage, die sich jede Bar für fast jeden Drink erneut fragen kann. Zuckersirup hat klar den Vorteil, dass sich damit sauber, schnell und exakt arbeiten lässt. Der Zucker ist bereits aufgelöst, ergo muss ein Drink weniger lange geschüttelt bzw. gerührt werden.
Durch Zuckersirup wird einem Drink zudem eine zusätzliche Menge Flüssigkeit hinzugefügt – der Drink wird länger. Bei Tiki- und Fancy- Drinks mit vielen verschiedenen Zutaten wird meist mit Sirup gemixt, ebenfalls bei Drinks mit Kohlensäure. Hier gibt es jedoch diverse Ausnahmen – etwa beim Mojito oder Champagne-Cocktail.
Es versteht sich von selbst, dass zuerst der Zucker mit den Zutaten, die keine Kohlensäure enthalten, aufgelöst werden muss. Etwas komplizierter wird es bei den Sours – hier gehen die Meinungen auseinander. Wer den Geschmack des Zuckers im Drink betonen möchte, mixt vorzugsweise mit Rohzucker aus Zuckerrohr.
Doch ob Sirup oder Zucker. Bei Sours spricht man in der Regel zuerst über die Qualität der Spirituose und des Zitronensaftes sowie deren Mengenverhältnis zur Süsse, als zweites über das Eiweiss (Ja oder Nein?) und erst dann über die Frage Zucker vs. Zuckersirup. Soll das Resultat ein klarer Cocktail sein, ist die Verwendung von Zuckersirup vorzuziehen. Spielt die Klarheit des Drinks hingegen keine Rolle, wenn etwa mit Aged Spirits gemixt wird, kann auch mit Rohrzucker gemixt werden.
Wer zusätzliches Mundgefühl in seinem Cocktail will, greift zum Gum (frz. Gomme) Sirup. Dieser Zuckersirup verfügt über ein höheres Verhältnis Zucker zu Wasser (2 : 1) sowie über Gummi Arabicum. Dabei handelt es sich um ein aus div. Akazien-Arten gewonnenes Gummi. Viele handelsübliche Gomme Sirups werden zudem mit etwas Orangenblütenwasser aromatisiert.
Und wenn wir es schon von Mundgefühl haben – Einige nicht aufgelöste Zuckerkörner bei jedem Schluck Mojito oder Caipirinha gehört für viele einfach dazu.
Bühne frei für Sirups
Doch um dem Sirup und dessen Stellenwert in der Bar gerecht zu werden, darf man sich nicht nur auf dessen Einfluss auf Süsse und Mundgefühl beschränken. Ein Sirup hat die Macht, das Geschmacksprofil eines Drinks massgebend mitzuprägen.
Insbesondere der Grenadine- und der Mandelsirup (Orgeat) haben ihren Teil zur Popularität der sogenannten Tiki-Drinks beigetragen. Während zu Beginn des neuen Jahrtausends Holunderblüte und Haselnuss noch als «ausgefallene Geschmacksrichtungen» bezeichnet wurden, hebt man heute vielleicht noch die Augenbrauen bei Geschmacksrichtungen wie Apfelkuchen, Popcorn oder Gurke.
Beim Durchblättern alter Barbücher fällt tatsächlich auf, dass der Griff zu Sirups mit ungewohnten Geschmacksrichtungen erst seit einigen Jahrzehnten regelmässig praktiziert wird. Heute scheuen Barkeeper nicht davor zurück, viel Zeit in der Küche zu verbringen, um selbst gemachte Sirups herzustellen. Ganz ohne Sirups von professionellen Herstellern kommen aber die Wenigsten aus.
«Niemand schätzt Sirups so sehr wie Kinder… und Barkeeper.»
Bei Sirups lohnt es sich, eine bewusste Entscheidung betreffend Qualität zu machen. Die Fruchtanteile variieren von Sorte zu Sorte und Produzent zu Produzent teilweise stark. Für Kräuter- oder Gewürzsirups werden die Aromen auch durch Extraktionen gewonnen.
Wer den Granatapfel in seiner Grenadine (frz. Grenade) vermisst, findet auch bei den meisten grossen Produzenten einen Granatapfelsirup. Orgeat, der Mandelsirup, welcher in keinem Mai Tai fehlen darf, wurde neben Mandeln früher mit Gerste (frz. Orge) hergestellt. Viele Hersteller von Orgeat-Sirups verzichten heute bei der Herstellung auf die Gerste.
Bei Fruchtsirups finden sich Qualitäten aus Fruchtsaft, Fruchtsaftkonzentraten oder aus natürlichen oder künstlichen Aromen. Von einigen Produzenten, etwa von Morand, gibt es auch Sirups mit biologischen Zutaten. Was für Liköre gilt, gilt auch für Sirups: das Auge trinkt mit. Ein Barlöffel und schon leuchtet ein Cocktail in jeder Farbe des Spektrums.
Aus der einfachen Mischung Tequila und Orangensaft wird dank Sirup ein Tequila Sunrise – immerhin ein Hingucker. Von einigen Geschmacksrichtungen gibt es gar unterschiedliche Farben. Geschmacksrichtungen wie etwa Curaçao Triple Sec oder Minze sind in klaren sowie in blauen resp. grünen Abfüllungen erhältlich.
Süsse in Drinks: Weitere Möglichkeiten
Zucker und Sirups sind die verlässlichsten Quellen von Süsse hinter der Bar, jedoch bei Weitem nicht die einzigen, wie die folgende, nicht abschliessende Zusammenstellung zeigt:
Ahornsirup sieht man in Cocktails am häufigsten in Kombination mit Bourbon oder Rye Whiskey. Der süsse, eingedickte Saft des Ahorns wird vor allem in Kanada und im Nordosten der USA hergestellt. Dort wird er in traditionellen salzigen und süssen Speisen eingesetzt. Die Süsskraft von Ahornsirup ist geringer als jener von Zucker.
Nicht nur Tequila und Mezcal wird aus der Agave produziert, sondern auch Agavendicksaft. Dieses gut lösliche Süssungsmittel verfügt über eine höhere Süsskraft als Zucker und besteht zum grössten Teil aus Fruktose.
Der minimale Zuckergehalt von Likören ist gesetzlich festgelegt. Auf einen Liter kommen (mit einigen Ausnahmen) mindestens 100 Gramm Zucker. Bei Crème-Likören beträgt die Mindestmenge 250 Gramm, bei Crème de Cassis gar 400 Gramm Zucker. Wer in Cocktails Rum, Wodka, Gin & Co. durch Liköre ersetzt, sollte sich dessen bewusst sein.
Likör- und Süssweine haben einen vergleichbar hohen Zuckergehalt wie Liköre. Sowohl Sherry als auch Portwein wurden bereits im vorletzten Jahrhundert regelmässig in der Bar eingesetzt.
Wer einem klassischen Cocktail einen spannenden Twist geben will, ersetzt den Zucker oder den Zuckersirup durch Honig. Zum Mixen empfiehlt es sich, eine gleiche Menge Honig in heissem Wasser auflösen, denn flüssiger und erst recht, kristallisierter Honig lässt sich in kalten Flüssigkeiten kaum auflösen.
Natürlich gibt es unzählige weitere Möglichkeiten seinem Drink die nötige Süsse zu verleihen – mit Softdrinks oder Fruchtsäften etwa. Die meisten Fruchtpürees der grossen Produzenten verfügen über Zucker und sind daher länger haltbar. Frische Fruchtpürees hingegen müssen kontinuierlich gekühlt und schnell verbraucht werden.
Lime Juice Cordial besteht aus Limettensaft, der Dank Zucker länger haltbar ist, als frisch gepresster Limettensaft. Eine Flasche Roses’s Lime Juice ist noch fast in jeder Bar anzutreffen. Früher senkte der Lime Juice Cordial bei Seemännern das Risiko an Skorbut zu erkranken und steigerte – gemischt mit Gin als Gimlet – die Moral.
Bei Shrubs wird die Haltbarkeit von Früchten durch Essig und Zucker verlängert. Shrubs geben einem Cocktail neben dem Aroma der verwendeten Früchte und Gewürze sowohl Süsse als auch Säure.
Im Unterschied zu Shrubs haben Konfitüren eine weniger lange Tradition in Getränken, eignen sich in Cocktails dennoch als sowohl fruchtige wie auch süsse Komponente.
Sirups haben eine lange Geschichte in Cocktails und Bars. Ihre Vielfalt und die Art und Weise wie wir sie einsetzen, ist hingegen neu.
Sirups in der Bar
Wo gesüsst wird, kommen Sirups zum Einsatz: Egal welche Farbe, egal welcher Geschmack, in fast jedem Getränk. Ausser im Mineralwasser oder in Cocktails sind sie in der Bar auch an folgenden Orten anzutreffen.
Im alkoholfreien Cocktail: Was trinkt man, wen man nicht trinkt? Einen alkoholfreien Cocktail – gemixt mit Sirups aller Geschmacksrichtungen. Da die Möglichkeit von Likören wegfällt müssen die herben oder fruchtigen Noten von woanders kommen – in der Regel von Sirups. Dies wissen auch jene Barkeeper, die im letzten Jahr ein Rezept für die Schweizer Nullpromille Trophy eingereicht haben.
Bei 4 von 5 Mocktails kamen Sirups zum Einsatz – von Gurke zu Hibiskus, von Banane zu Rande. Bei mehreren Cocktails wurden gar mehrere Sirups im selben Drink verwendet.
Im Bier: Für Puristen mag es unverständlich sein. Weshalb nur mag ein Gast sein Bier mehr, wenn es weniger nach Bier schmeckt? Doch jeder darf und soll trinken, was er mag – dazu gehören Biere, welche durch einen Schuss Sirup ergänzt werden. Ein Beispiel ist etwa das Monaco, ein Panaché, das mit einem Schuss Grenadine-Sirup ergänzt wird. Hierzulande selten sieht man Berliner Weisse mit einem Schuss Waldmeisteroder Himbeersirup.
Im Kaffee: Seit Starbucks in der Schweiz Fuss gefasst hat, sieht man auch in anderen Cafés Kaffee-Getränke mit Caramel-, Zimt-, Vanillesirup. Meistens werden diese als Cappuccino- oder Latte-Macchiato-Varianten in grossen bis sehr grossen Tassen angeboten.