Arbeiten, wenn andere frei haben, gehört in der Gastronomie zum Jobbeschrieb. Erst recht in der Barszene, wo die Arbeit in vielen Betrieben mit dem Feierabendgeschäft beginnt. Den Gästen einen grossartigen Abend ermöglichen – ist es nicht das, was den Job hinter der Theke so erfüllend macht? Dazu kommen der kreativ-artistische Aspekt und die Karrieremöglichkeiten, die durch die Weiterentwicklung der globalen Cocktail-Kultur in den letzten zwei Dekaden erschaffen wurden.
Doch eine Barkeeper-Karriere ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Die Arbeitszeiten sind auf Dauer und im Vollzeitpensum belastend, dass das Durchschnittsalter von Barkeepern wohl bei unter 30 Jahren liegt, dürfte für sich sprechen. Klar kann man sich auch einfach über den Fachkräftemangel beklagen oder sich über die Arbeitsmoral der nächsten Generation aufregen. Klar kann man das «Nein» auf Frei- und Ferienwünsche mit dem Totschlagargument: «Das ist halt die Gastronomie» begründen. Sinnvoller wäre es jedoch zu schauen, wie der Job hinter der Theke attraktiver gemacht werden kann. Im Zugzwang sind nicht nur einzelne Betriebe, sondern die Branche als Ganzes. Natürlich geht nichts ohne einen Lohn, der über den im Gesamtarbeitsvertrag festgelegten Betrag hinausgeht, nichts ohne Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten und nichts ohne die Einhaltung des Arbeitsgesetzes. Gleichzeitig ist es zentral, dass den Angestellten auf Kilometer 30 nicht die Energie ausgeht.
Nachfolgend werden vier Bars vorgestellt, die seit einiger Zeit auf die 4-Tage-Woche setzen. Lange Schichten, dafür drei Tage frei – ein Modell für die Zukunft?
Wolfgang Bogner, Tales Bar, Zürich
«Wir haben die Tales Bar im Jahr 2015 eröffnet. Im 2016 haben wir die 4-Tage-Woche eingeführt. Für einen Tag mehr frei, ein paar Stunden zusätzlich arbeiten? Das fanden eigentlich alle gut. Es sind lange Tage. Aber weder kriechst du nach einer Schicht auf allen Vieren zur Bar raus, noch musst du nach einer Woche drei Tage auf Reha gehen. Im Tales fängst du um 16 Uhr an mit den Vorbereitungen, um 4 Uhr bist du wieder draussen. Mit einer 9-Stunden-Schicht könntest du das gar nicht abdecken, sonst bräuchtest du einen Mitarbeiter mehr. Die Payroll ist der grösste Kostenpunkt in einer Bar. Daher ist es sinnvoll, sich zu überlegen, wie man das Personal am besten einsetzt. Ich schreibe den Arbeitsplan sechs Wochen im Voraus. In diesem Zeitraum schaue ich, dass, die Barkeeper einmal fünf Tage und grundsätzlich zwei Tage am Stück frei haben. Neben mir arbeiten zwei Barkeeper im 100-Prozent-Pensum und einer 50 Prozent, was zwei Arbeitstagen entspricht. Zudem haben wir einen Pool an Mitarbeitenden im Stundenlohn. Die Gefahr ist, dass wenn jemand nicht arbeiten kann, die anderen dann trotzdem fünf Tage arbeiten müssen. Du hast mehr Klumpenrisiko, doch es kann nicht sein, dass deine Leute das dann immer auffangen müssen. Die 4-Tage-Woche ist nicht die Rettung der Gastronomie. Sie ist nur für wenige Konzepte anwendbar und auch wir switchen im Sommer für zwei Monate auf die 5-Tage-Woche, weil wir dann den Laden später öffnen.»
Victor Topart, Crapule Club, Fribourg
«Wir haben seit der Eröffnung die 4-Tage- Woche. Der Crapule Club ist nur an drei Tagen offen, der Mittwoch ist unser Pre-Batching-Tag. Von 9 Uhr bis 19 Uhr machen wir Infusionen, kochen Sirups und kümmern uns um die Bestellungen. Während der Tage, an denen wir geöffnet sind, arbeiten wir von 18 bis 6 Uhr morgens. Darin eingerechnet sind anderthalb Stunden bezahlte Pausen. Es ist schon so: Es sind lange Tage. Gleichzeitig sind es auch nur drei solche Schichten pro Woche. Für uns war klar, dass wir mit professionellen Barkeepern arbeiten wollten. Das bedingt, dass du sie zu 100 Prozent anstellen kannst. Das Konzept mit der 4-Tage-Woche und dem Pre-Batching-Tag erlaubt uns, qualitativ hochstehende Drinks schnell zu mixen und zu servieren. Neben mir arbeiten zwei Barkeeper im Alter von 32 und 30 Jahren 100 Prozent. Die anderen – zwei auf dem Floor, einer in der Garderobe, ein Barback und ein Türsteher – arbeiten im Stundenlohn und in kürzeren Schichten. Momentan suche ich einen dritten Junior-Barkeeper für Freitag und Samstag. Im Sommer haben wir zusätzlich den «Crapule Garden», wo wir mehr Personal einstellen. Ein Barkeeper startet dann jeweils früher im Garden, der andere etwas später im Club. Ich denke nicht, dass die 4-Tage-Woche für alle Betriebe funktioniert. Bei uns ist die Planung sehr einfach, aber Betriebe, die von morgens bis abends, von Montag bis Sonntag geöffnet sind, müssen möglicherweise mehr Personal einstellen.»
Bertrand Tessier, Lausanne Cocktail Club
«Bei uns arbeiten, mit mir, drei Vollzeit-Barkeeper plus drei 100-Prozent-Angestellte im Service. Am Sonntag haben wir zu, unter der Woche sind wir bis drei Uhr morgens offen, von Donnerstag bis Samstag jeweils bis fünf Uhr. Die 4-Tage-Woche haben wir kurz nach der Pandemie eingeführt. Wir haben drei verschiedene Schichten zwischen acht und vierzehn Stunden. Dazu gehört eine Stunde Pause, die ausserhalb der Bar und am Stück bezogen wird. Einige gehen nach Hause, oft isst man aber auch im Quartier etwas. Wenn die Pause etwas länger geht, ist das nicht weiter schlimm, sofern man Bescheid sagt. Am Abend sind viele Restaurants nicht auf den schnellen Mittagsservice ausgelegt, aber mir ist es wichtig, dass mein Team den Kontakt zur Gastroszene pflegt. Es ist essenziell, dass die Mitarbeitenden happy sind. Nicht nur, weil es momentan so schwierig ist, Personal zu finden. Dank der 4-Tage-Woche können sie sich mehr Zeit für Einkäufe, den Haushalt aber auch für die Freizeit nehmen. Für mich als Betreiber ist die 4-Tage-Woche ebenfalls interessant, auch wenn ich öfter im Betrieb bin. Wir können professionelles Personal zu einem fixen Pensum in der Jahresarbeitszeit anstellen. Im Winter arbeiten wir mehr, im Sommer weniger. Bis jetzt haben wir die Bar jeweils von Mitte Juli bis Mitte August geschlossen. Nun werden wir diesen Sommer das Lokal von Donnerstag bis Samstag offen haben.»
Adrian Tännler, L’Ovestino, Bern
«Von unserem 19-köpfigen Team sind sechs fix angestellt. Die meisten haben ein 60- oder 80-Prozent-Pensum und haben neben den Barschichten noch Ansprechkompetenzen in einem spezifischen Aufgabenbereich. Nils und ich sind im F & B, Chrigu macht das HR, Sophie kümmert sich um den Social Media-Auftritt und Adi Franz ist für die Instandhaltung des Betriebs zuständig – und alle haben einen Stellvertreter, falls mal jemand ausfällt. Ich könnte nicht fünf Tage in der Gastro arbeiten und das Vaterleben so leben, wie ich möchte. Ich bin heute Morgen gerade mit meinem Einjährigen unterwegs und auch andere im Team haben Kinder. Im Kernteam gibt es aber auch viele Jüngere, die sehr motiviert sind und die viel Verantwortung übernehmen. Es ist gut, wenn man ihnen eine Chance gibt. Wenn du die Starter-Schicht machst, fängst du um 15 oder 16 Uhr an. Am Wochenende schliessen wir um 2.30 Uhr, fertig ist man zwischen 3.30 und 4 Uhr. Mit meinem 80-Prozent-Pensum habe ich drei Barschichten und kümmere mich in der restlichen Zeit um meine anderen Tätigkeiten, die ich flexibel einteilen kann. Weil wir eine grosse Bar mit 350 Plätzen betreiben, fallen auch viele Vorbereitungsaufgaben an. Und da wir viele Studenten und Teilzeit-Angestellte haben, die auch mal nur zwei Schichten pro Monat haben, arbeiten wir viel mit Pre-Batching. Bei den sechs «Favourite Drinks» musst du meistens nur noch die Säure hinzufügen und im Spindelmixer rühren.»