Erfrischung aus der Dose

Wie weiter mit Ready to Drink?

Das Jahr 2021 hätte das Jahr der Hard Seltzer werden können. Doch neben Corona-Restriktionen und den damit abgesagten Grossveranstaltungen machte auch das schlechte Wetter der gesamten Ready to Drink-Kategorie (RTD) einen Strich durch die Rechnung. Wie geht es nun weiter mit der Erfrischung aus der Dose?

Wenn die Terrasse voll ist und das Thermometer die 30-Grad-Grenze längst überschritten hat, ist ein sogenanntes RTD genau das Richtige. Nicht als Erfrischung für das Personal, das wegen Fachkräftemangel die unterbesetzte Bar nur zu zweit rockt, sondern zu deren Entlastung.

Anstatt für einen Hugo sieben Handgriffe zu verschwenden – das Polieren des Weinglases nicht eingerechnet – ist eine bewusst zusammengestellte Barkarte in diesem Sommer wohl wichtiger denn je. Dazu gehört neben einer kleineren Karte, Pre-Batching, grösseren Gebinden (Stichwort Wein aus Bag-in-Box oder PET-Kegs) auch die Kategorie der Bottled Cocktails und der Ready to Drinks (RTDs).

Hier nur ein kleiner Disclaimer. Natürlich geht nichts über einen Sazerac, dessen Selbstwerdung man von der anderen Seite der Theke genaustens beobachten kann und von einer volltätowierten Barikone perfekt zubereitet wird. Doch bei sommerlichen Höchsttemperaturen hört der Spass auf.

«Vom Hard Seltzer-Hype scheint man in der Schweiz kaum mehr etwas zu spüren.»

Marlon Petermann, Filialleiter von Drinks of the World Zürich

Schnelligkeit ist das Schlüsselwort und wenn man es richtig macht, leidet der Geschmack nicht darunter. Im Gegenteil. Dank einer gut eingerichteten Bar, einer kompakten Barkarte und einem guten Mise en Place ist die Getränkequalität ein Fels in der Brandung, die noch jedem Sturm auf die begehrten Terrassenplätze standhalten kann.

Ein volkswirtschaftlicher Exkurs

In der volkswirtschaftlichen Theorie beschreibt der komparative Vorteil den Umstand, dass eine Person, ein Unternehmen oder gar ein Land jene Produkte produziert, die es im Vergleich zur Konkurrenz schneller und günstiger herstellen kann. Dies hat zur Folge, dass diese Unternehmen (oder Länder) sich zusätzlich spezialisieren und dass die Handelstätigkeit zunimmt.

Übersetzt in die Barwelt bedeutet das, dass der Barkeeper oder die Bar, die wöchentlich hunderte von Cocktails raushaut, dies allein schon durch die Routine schneller und dadurch effektiver und effizienter tun kann als eine Bar, die sich nicht auf Cocktails spezialisiert hat.

Doch da die Gäste heute noch fast überall erwarten, an einem Negroni in O. K.-Qualität nippen zu können oder sogar aus einer Auswahl an komplexen Signature Drinks aussuchen zu können, müssen neben urbanen Cocktail-Bars auch Bars in den Bergen, Pop-up-Bars an Flüssen und Seen und oft auch Restaurant-Ketten mit mehreren Standorten Mixed Drinks in konsistenter Qualität anbieten können.

Doch Cocktails, Spritzes und Highballs sind in der Zubereitung nun mal zeitaufwendiger als die Stange oder das Glas Wein. Ein Lösungsansatz: das Pre-Batching. Zutaten, die kein Ablaufdatum kennen, können für gewisse Kassenschlager problemlos vor der Stosszeit zusammengemixt werden.

Die Flaschen mit den fixfertig gemixten Cocktails stellt man am besten kühl, so reduziert man gleich auch noch den Eisverbrauch, der im Sommer wegen der hohen Temperaturen sowieso grösser ist als gewohnt. Gut gekühlt lassen sich so zudem auch Cocktails mit frischen Zutaten (beispielsweise Säfte) einige Tage lagern.

Wer noch mehr Zeit sparen will, setzt diesen Sommer auf das Schlagwort Ready to Drink. Diese Kategorie wird von vielen Barkeepern zwar durchaus mit einer gewissen Skepsis beäugt, doch seit der Corona-Pandemie haben einige Cocktail-Bars zwischenzeitlich ja selbst auf Take-Away beziehungsweise Bottled Cocktails gesetzt. Einige dieser Produkte sind noch heute verfügbar und könnten diesen Sommer manche Gastronomen entlasten.

Wie weiter mit Hard Seltzer?

Eine Kategorie, die letztes Jahr um viel Aufmerksamkeit gebuhlt hat, war «Hard Seltzer». Neben zahlreichen internationalen Grosskonzernen haben sich auch mehrere kleinere Schweizer Unternehmen von den astronomischen Wachstumszahlen auf dieses Abenteuer eingelassen. So prognostizierte jüngst das Marktforschungs-Unternehmen Nielsen für Grossbritannien, dass der Hard Seltzer-Markt bis 2025 bis auf 600 Millionen Pound Sterling wachsen soll – von aktuell 10,4 Millionen.

Doch offensichtlich ist die Welle nicht vom angelsächsischen Raum auf das europäische Festland übergeschwappt. Dies sieht auch Marlon Petermann, Filialleiter von Drinks of the World Zürich so, die zu den ersten Detailhändlern gehörten, die Hard Seltzer in ihr Sortiment aufgenommen hatten: «Meine Prognose hat der Erwartung eines Nischenprodukts ohne US-Hype entsprochen, weil das Schweizer Bewusstsein und die kulturellen Unterschiede zur USA offensichtlich zu vernehmen sind.»

Als Zielgruppe nennt er eine trendbewusste Kundschaft, die den Geschmack von Alkohol nicht mag, aber dennoch ein alkoholhaltiges, kohlenhydratarmes Getränk konsumieren möchte oder einfach für diejenigen, die es mögen.

«Der Boom ist zwar ausgeblieben, doch die Grossen oder Innovativen konnten sich einen bescheidenen Platz vorerst sichern.»

Marlon Petermann, Filialleiter von Drinks of the World Zürich

Vom sogenannten Hard Seltzer-Hype scheint man in der Schweiz kaum mehr etwas zu spüren. Zahlreiche Marken, sowohl von Grosskonzernen wie auch von kleinen Start-ups, sind bereits wieder vom Markt verschwunden. Und jene, die mit ihren Hard Seltzern weiterhin auf die Karten leicht, kalorienarm und Convenience setzen, scheinen ihre Marketing-Ausgaben drastisch gedrosselt zu haben.

Die Erwartungen, dass die RTDs wie in den USA dem Bier ein immer grösseres Stück des Kuchens streitig machen können, wurden auf dem europäischen Festland nicht erfüllt. Dennoch ist Marlon Petermann überzeugt, dass Hard Seltzer einen festen Platz in der Getränkebranche halten werden kann.

Der Boom sei zwar ausgeblieben, «doch die Grossen oder Innovativen konnten sich einen bescheidenen Platz vorerst sichern.»

Wäre es folglich verfehlt, der Kategorie schon einen vorzeitigen Tod zu prognostizieren? Denn tatsächlich gibt es nach wie vor viele Schweizerinnen und Schweizer, die noch nie ein Hard Seltzer probiert haben. Und im letzten Jahr gab es ehrlich gesagt auch nicht wahnsinnig viele Gelegenheiten dazu.

Die meisten Anlässe, die für Hard Seltzer-Marken hätten interessant sein können, fanden coronabedingt nicht statt oder fielen wegen des schlechten Wetters ins Wasser. Denn heisse Temperaturen sind für die leichten alkoholhaltigen Getränke ein wichtiges Verkaufsargument.

Es kann also gut sein, dass in diesem Jahr die übrig gebliebenen Hard Seltzer-Brands von den hohen Temperaturen – und der nun kleineren Konkurrenz profitieren könnten.

Dieser Artikel erschien in
Ausgabe 3-2022

BAR NEWS-Magazin als Einzelausgabe

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