Das Tales in Zürich wurde vom Tempo der Lockerungen gar etwas überrascht: «Wir haben damit gerechnet, dass wir erst im Juni öffnen dürfen», sagt Wolfgang Bogner, der den Lockdown für diverse Renovationen genutzt hatte. So gross die Freude über die Wiedereröffnung, so gross die Herausforderungen durch das erste Branchen-Schutzkonzept.
Die Bar verlor nicht nur 60 Prozent der Plätze, auch die Polizeistunde war den Betreibern ein Dorn im Auge. Denn bei schönem Wetter macht die Bar ca. 80 Prozent des Umsatzes zwischen Mitternacht bis drei Uhr morgens. Doch man kam mit der Situation besser zurecht als befürchtet, so liess sich der rechteckige Gästebereich relativ gut unterteilen und auch der regenreiche Juni spielte dem Tales in die Karten.
Seit Neustem werden zudem Reservationen angenommen. «Nur telefonisch, damit man gleich schauen kann, wie lange die Gäste bleiben möchten. So können wir auch besser abschätzen, ob sie wirklich kommen oder nicht», sagt Bogner.
Drinks «to go» waren bereits früher ein Thema, diese wurden jedoch nie offensiv beworben. Weiter steht das Projekt Tales@ home in den Startlöchern, wo sich Cocktail-Liebhaber Drinks abholen oder von der Post zustellen lassen können.
Vom «schlechten» Juni-Wetter profitierten auch Adrian Tännler und Lukas Hostettler von der Berner Abflugbar. Die Inhaber des engen Keller-Lokals, wo der 2-Meter-Abstand kaum eingehalten werden könnte, liessen sich mit der Wiedereröffnung Zeit. Erst Mitte Juni wurden erstmals die Cocktails der neuen Barkarte serviert. Diese ist nun auch digital via QR-Code aufrufbar – mittlerweile vielerorts der Standard.
Auf der Theke steht ein eigens angefertigter Schutz aus Plexiglas. Zwischen den Gästegruppen können nach Bedarf Vorhänge gezogen werden. «Zugelassen sind wir für 50 Personen, nun können wir maximal 28 Gäste bedienen», sagt Adrian Tännler.
Im Unterschied zu vielen anderen Bars konnte das Keller-Lokal nicht von der relativ grosszügigen Ausweitung der Aussensitzplätze der Stadt profitieren. Aus diesem Grund wurde der dritte Barkeeper des Teams an eine Bar «ausgeliehen », die von dieser Ausweitung Gebrauch machen konnte.
Noch später öffnete das Voodoo Reyes in Genf. Barmanagerin Katalin Bene wollte erst wieder mit einem Konzept starten, bei welchem es nicht bloss ums Überleben geht. Die Bar ist neu sieben Tage die Woche geöffnet und bietet während der Mittagszeit ein einfaches Menü an.
Auch die Abläufe wurden optimiert. Die Barkeeper kümmern sich etwa nicht mehr um den Tischservice und arbeiten vermehrt mit prebatched Cocktails. Diese gibt es neu auch zum Mitnehmen.
Bars, bei denen die Gäste hauptsächlich «Locals» sind, dürften am wenigsten Mühe haben, ihre Stammkundschaft zurückzugewinnen. Anders sieht es an Orten aus, die stark vom internationalen Tourismus, von Grossevents oder von Kongress und Firmenkunden abhängig sind.
Die Gäste des Soho in der Basler Steinenvorstadt hatten sich im Februar noch auf ein vollgepacktes Programm gefreut. Firmen-Apéro, Konzerte, Events rund um die Fussball-EM – alles musste abgesagt werden.
«Die Leute wollen das Leben wieder geniessen und auch wir sind super happy, dass wir wieder aufmachen können. Firmen sind aber nach wie vor sehr zurückhaltend. Viele sind noch im Homeoffice, deshalb haben wir sehr wenige Events in diesem Bereich», sagt Desiree Publioz, Geschäftsführerin des Lokals.
Werden die Massnahmen befolgt?
Doch das beste Sicherheitskonzept nützt nur, wenn es auch umgesetzt wird. Glücklicherweise scheint dies in der Schweiz mehrheitlich der Fall zu sein. Eine Ausnahme passierte in der Nacht vom 16. auf den 17. Mai in der Basler Steinenvorstadt. Gäste und einige Bars missachteten die Regeln des Social Distancing.
Videos der Szenerie machten die Runde – erst in den Sozialen, später in den nationalen Medien. Verärgert war man auch beim Soho. Nicht nur über den Verstoss gegen die Regeln, auch über die Berichterstattung, welche die gesamte Gastroszene der Steinenvorstadt in ein schlechtes Licht rückte.
«Im Soho haben wir uns stets an die Vorschriften gehalten. An den folgenden Wochenenden war die Polizeipräsenz dann höher, seither hat es in der Steinenvorstadt sehr gut funktioniert», sagt Desiree Publioz.
Die bisher schlimmste Phase liegt hinter uns, doch die Gefahr der zweiten Welle bleibt. Deshalb ist es zentral, dass Bars Mitarbeitende und Gäste bestmöglich schützen. So erfreulich die neusten Lockerungen auch sind, die Krise ist noch nicht vorbei – weder die gesundheitliche noch die wirtschaftliche. Verspielen wir die wiedergewonnen Freiheiten nicht.