Zu Tränen gerührt steht der sonst eher gefasste Barkeeper auf der Bühne. Fassungslos, überrascht, bewegt. «Ich hatte es gar nicht auf dem Radar, dass dieses Jahr ein Lifetime Award vergeben wird», lächelt Markus Blattner, «kurz bevor mein Name genannt wurde, hat mir Wolfgang auf die Schulter geklopft. Da kam mir zum ersten Mal der Gedanke, dass er an mich gehen könnte». Als sein Name schliesslich genannt wird, steht der Saal.
Minutenlanger Applaus. Ein ehrlicher Moment der Anerkennung. «Ich fühle mich wahnsinnig geehrt», sagt er später und fügt mit trockenem Humor hinzu: «Naja, jetzt wo ich den Lifetime Award bekommen habe, kann ich mich ja zurückziehen.» Doch wer Blattner kennt, weiss: Ans Aufhören denkt er nicht. Der 55-Jährige, Inhaber der legendären Old Crow Bar in Zürich, ist keiner, der stillsitzt. Seine Haltung ist ruhig, seine Arbeitsweise präzise, seine Gastfreundschaft unaufdringlich.
Genau darin liegt seine Grösse. «Ich fühle mich alt», sagt er lachend über den Moment der Ehrung, aber der Award ist kein Schlussstrich, sondern eine Bestätigung dafür, dass das, was er tut, richtig ist: Handwerk mit Herz, Freude am Tun und echte Gastfreundschaft.

Vom Kaufmann zum Gastgeber
Blattners Weg in die Bar war kein gerader. Ursprünglich machte er eine kaufmännische Lehre, arbeitete im Büro, bis er merkte, dass ihm etwas fehlte. «Ich wusste nach meiner Rückkehr aus Australien, so will ich nicht mehr arbeiten», erinnert er sich. Nach rund anderthalb Jahren im Ausland – Sprachschule in Australien, Aufenthalte in Thailand und Indonesien – wurde ihm klar, dass er etwas Handwerkliches wollte. Schon zuvor hatte ihn der Tresen gerufen.
Ob am Vereinsfest oder bei Dorfevents, wo er als Jugendlicher erste Drinks servierte. Doch erst mit 27 Jahren nahm er seinen ersten professionellen Job an der Bar an, im Widder Hotel, Zürich. «Wenn, dann richtig», das war ihm schon damals klar. Er wiederholte die Barfachschule, um sein Wissen nochmals aufzufrischen – was damals übrigens noch kostenlos war – und startete 1996 als Commis de Bar im Widder Hotel Zürich. «Nach dem Kurs dachte ich, ich wüsste Bescheid.


Aber mein damaliger Chef war anderer Meinung … Vergiss alles, was du gelernt hast. Wir fangen nochmal von vorne an, sagte er zu mir.» Nach Stationen auf Kreuzfahrtund Expeditionsschiffen, wo er seine Frau Petra kennenlernte, kehrte Blattner im Jahr 2000 als Chef de Bar in den Widder zurück.
Eine Position, die er 13 Jahre lang prägte. 2013 folgte der Schritt in die Selbstständigkeit: Gemeinsam mit Petra und Partner Ivan Paszti eröffnete er die Old Crow Bar, nur wenige Meter von der alten Wirkungsstätte entfernt. «Für mich war das nie ein Problem», erinnert er sich. «Aber in der damaligen Geschäftsleitung kam es gar nicht gut an. Sie erfuhren es aus der Zeitung», schmunzelt er.
Haltung statt Show
Blattner ist kein Mensch der grossen Gesten. «Ich bin Handwerker, kein Entertainer», sagt er über sich selbst. «Ich bin ein passiver Gastgeber. Wenn sich jemand unterhalten will, bin ich offen, aber die Gäste müssen auf mich zukommen.» Gastfreundschaft bedeutet für ihn vor allem Achtsamkeit: «Sie beginnt beim Grüssen und endet beim Verabschieden.» Viele Gäste seien überrascht, wenn sie beim Gehen noch verabschiedet werden.
Macht das, was ihr gern macht. Für alles andere ist das Leben zu kurz.
Markus Blattner
«Diese kleine Geste bleibt hängen.» Musik gibt es in der Old Crow, aber sie spielt nur im Hintergrund. «Es ist eine Bar, kein Club», sagt Blattner schlicht. Dafür sprechen die Drinks. «Ein Negroni darf nicht jeden Tag anders schmecken», betont er. Kontinuität, Präzision und Haltung – das ist sein Erfolgsrezept. Die Old Crow ist heute eine der renommiertesten Bars der Schweiz, bekannt für ihre 1700 Spirituosen, ihre Sorgfalt und ihr Team, das seit Jahren zusammengewachsen ist.
Philosophie und Zukunft
Trotz aller Routine bleibt Blattner neugierig. Er interessiert sich für die Küche, für Aromen und Handwerk: «Eine Kochausbildung hätte mich auch gereizt. Ich bin kein guter Koch, aber ich mache es gern.» Seine Vision für die Zukunft in der Barszene: «Back to the basics – wie in der Küche. Weniger Firlefanz, mehr Essenz.»
Seine Botschaft an die nächste Generation ist klar: «Macht das, was ihr gern macht. Für alles andere ist das Leben zu kurz.» Wenn er in die Zukunft blickt, bleibt er realistisch und humorvoll. «Ich hoffe, dass ich noch lange hinter der Bar stehen kann. Und wenn es mal nicht mehr geht, dann mache ich halt mehr Gastgeber.» Ein Satz, der zeigt, wer Markus Blattner ist: ein Mann, der liebt, was er tut.


