Noch vor Manhattan und Martini waren Flips auf Portweinbasis oder Cobblers mit Sherry oder Madeira die In- Getränke der noch jungen Vereinigten Staaten. Im Vergleich zum Ur-Cocktail, der neben etwas (Schmelz-)Wasser quasi nur aus gebranntem Hochprozentigem bestand, eigneten sich diese Drinks auf Süsswein-Basis auch für jene, die am nächsten Morgen ohne Brummschädel aufstehen wollten.
Dass die Südweine in den Kanon der klassischen Cocktail-Kultur aufgenommen wurden, liegt auf der Hand. Barkeeper auf dem amerikanischen Kontinent, wie auch deren Berufskollegen auf den britischen Inseln, mixten mit jenen Produkten, die ihnen zur Verfügung standen. Und da diese Länder keine eigene Weinproduktion hatten, mixten sie mit den haltbaren Weinen aus dem Süden Europas.
Während etwa Sherry die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts einen Boom erlebte, ging es bis zum ersten Weltkrieg bergab. Die Reblaus und politische Spannungen zwischen den USA und Spanien spielten sicher eine Rolle, gleichzeitig wurde Vermouth zum neuen Liebling der Barszene. Einen neuen Peak hatten die Südweine dann in den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg.
Mixen mit verstärkten Weinen
Vom simplen Porto Tonic über Old Fashioned-Twists zu aufwendigen Milk Punch-Variationen lassen sich Südweine sehr vielfältig einsetzen. Weisser Portwein und Tonic Water, ein Apéro-Klassiker aus Portugal, ist ein idealer Low-ABV-Drink, zumal er sich leicht variieren lässt. So spricht nichts dagegen, die Süsse und die botanische Note mit einem Kräuterlikör einzubauen und einen ungesüssten Filler, z. B. Soda, zu verwenden.
Doch auch mit der Basis lässt sich spielen. Anstatt eines weissen Ports kann auch ein Rosé Portwein, ein Fino oder ein Manzanilla dienen. Oft können Südweine Vermouth eins zu eins ersetzen. Trockenere Abfüllungen etwa für Martini-, etwas süsslichere Weine für Negroni-Twists. Dulces, Moscatel und Pedro Ximénez hingegen ersetzen mit ihrer Süsse eher Zutaten wie Likör, Sirup oder Würfelzucker.
Südwein-Cocktails von Barkeepern
Ein Blick in die Cocktail-Rezepte, die uns Barkeeper aus der Schweiz und dem Ausland zugeschickt haben, zeigen noch weitere Möglichkeiten auf, wie mit verstärkten Weinen gemixt wird. Mehr nach Bamboo denn nach Adonis mutet der «Traube-Olive»-Cocktail von Rebekka Anna Salzmann an.
Madeira ersetzt Sherry, Byrrh den roten Vermouth. Zwecks Deko, und gleichzeitig für die Hälfte des Namens verantwortlich, krönt eine Olive die Komposition. «Sherry, Portwein und Madeira haben einen sehr hohen Stellenwert bei uns und sie werden sehr oft bei unseren Signature Drinks eingebaut», schreibt die Barkeeperin aus dem Angels’ Share.
Traube-Olive | von Rebekka Anna Salzmann, Angel’s Share, Basel
6 cl | Madeira Henriques & Henriques Special Dry Seco |
2 cl | Byrrh Grand Quinquina |
2 Dashes | Orange Bitters |
Deko: Olive, Zubereitung: Rührglas, Glas: Nick & Nora
Jeweils ein Cocktail auf der Karte sei stets mit geringerem Alkoholgehalt und daher oft auf Basis eines Südweines. Momentan sei dieser Low-ABV-Drink jedoch auf Sake-Basis. Kombinieren liessen sich die Südweine mit so gut wie allen möglichen Aromen, besonders traubenbasierte Zutaten wie Cognac, Armagnac oder Verjus. Weiter empfiehlt Rebekka Anna Salzmann trockenen Sherry zu Bourbon oder Rye und roten Portwein zu Mezcal.
Ähnlich im Namen, doch sehr unterschiedlich im Glas zeigt sich «Traube & Salicorne» von Silvan Hug.
Traube & Salicorne | von Silvan Hug, Capitol, Bern
5 cl | Bodegas Tradicion Fino Sherry |
1 cl | Ian Macleod’s As we get it Islay Single Malt Whisky |
1 cl | Bourgoin Verjus |
0,5 cl | Zucker |
5 cl | Wasser |
Deko: Salicorne Pickles (dazu Pickle Sud ansetzen. Salicorne im ausgekühlten Sud kalt pickeln.)
Zubereitung: Alle Zutaten in eine Flasche abfüllen und auf mindestens drei Grad kühlen. Sobald die Temperatur erreicht ist, aufkarbonisieren und in einem Highball-Glas mit Eis servieren.
Der Barkeeper aus dem Capitol Bern kombiniert einen trockenen Sherry mit Islay-Whisky und Verjus und karbonisiert die mit Wasser verdünnte und gekühlte Mixtur zu einem Highball. Marsala ist schwer zu finden. Barkeeper, die damit mixen, noch schwerer.
Die Laurus Cocktail Experience liegt nicht in Sizilien, sondern in Lecce, Apulien. Dennoch könnte man Marsala noch fast als lokale Zutat bezeichnen.
Der Barkeeper Marco Fabbiano kreierte den Drink für einen grösseren Anlass, bei dem es neben lokalen Weinen auch Marsala zu degustieren gab. «Wir mixen gerne mit Marsala. Es ist ein Wein, der einem Drink Eleganz, Mundgefühl und Süsse gibt – und etwas Spicyness.» Gleichzeitig versichert Marco Fabbiano, dass sie durchaus auch Gäste haben, die Marsala pur trinken.
Love Story | von Mario Fabbiano, Laurus Cocktail Experience, Lecce (I)
4 cl | Matusalem 23y |
3 cl | Marsala Pellegrino Vergine |
0,5 cl | Balsamico-Tonka Bohnen-Reduktion |
1 cl | Kastanien-Honig |
2 Dahes | Amaretto Adriatico Roasted |
Deko: Lacto-fermentierte Mandel
Zubereitung: Zutaten im Rührglas kaltrühren. Auf Eisblock im Tumbler servieren.