Wird 2020 das Jahr des R(h)ums?

Rum: Der nächste grosse Trend?

Same procedure as last year? Same procedure as every year! Jedes Jahr lesen wir es aufs Neue: dieses Jahr wird das Jahr des R(h)ums! Endlich! Jetzt aber wirklich! R(h)um ist «in» und wird endlich durchstarten. Jedes Jahr. Immer gleich. Und jedes Jahr fragen wir uns, wo er denn nun bleibt, der unaufhaltsame Aufstieg des R(h)ums?

Woran liegt es? Es liegt an unseren Erwartungen! Wir erwarten von einer Spirituose, dass sie, wie einstmals Gin und langfristig Whisky, zu einem Höhenflug ansetzt und dadurch für alle sichtbar nun zu «der» Spirituosenkategorie aufsteigt. Doch ist das wirklich so?

Handelt es sich bei Gin nicht nur um einen Hype, eine zwar schon ungewöhnlich lange andauernde doch durchaus vergängliche Modeerscheinung? Sicher werden wir am Ende des Hypes mehr Brennereien und Marken im Gin-Segment vorfinden wie noch vor wenigen Jahren.

Doch liegt das nicht einfach auch nur daran, dass Gin ohne grosse Kenntnisse von (fast) jedermann hergestellt werden kann; dass Gin ohne eigene Fermentation und damit Alkoholherstellungskenntnisse produziert werden kann und damit geradezu einlädt, mal eben schnell einen neuen, eigenen Gin zu produzieren und sich dann mit seiner «eigenen Marke» zu profilieren?

Zeitlos. In der «El Floridita» Bar in Havanna trank einst schon Ernest Hemingway seine Daiquiris.

R(h)um kann das nur teilweise, was vielleicht auch erklärt, warum der grosse Durchbruch und kometengleiche Aufstieg auf sich warten lässt – oder vielleicht auch nie kommen wird.

Natürlich kann ich heute R(h)um auch mit zugekauftem Fertigprodukt durch Abfüllung in Drittländern ausserhalb der eigentlichen Produktionsländer ohne Probleme herstellen und damit eine eigene Marke erzeugen, doch viele R(h)umproduzenten lassen sich darauf nicht ein.

Sie kaufen Melasse auf dem nicht kleinen Weltmarkt ein, wandeln dies in ihren Anlagen in Alkohol um und destillieren diesen dann selber zur gewünschten R(h)umqualität. Dieser fordert Geschick und Destillationskunst.

Kommt dann noch die Lagerung dazu, so zeigt sich die wahre Kunst der Herstellung: das Zusammenspiel von Destillation, Reifung und Zeit. Nur dadurch entstehen die flüssigen Kunstwerke der R(h)umwelt,welche den Durchbruch zu einem Klassiker erst möglich machen können.

Geduld ist gefragt

Schaut man sich in der Welt des R(h)ums etwas genauer die einzelnen Länder an, so stellt man fest, dass erst in den letzten Jahren, teilweise sogar erst heute oder sogar erst in Planung, die notwendigen Restriktionen und Regeln zu finden sind. Diese, sowie die damit einhergehenden Qualitätsdefinitionen, sind für einen nachhaltigen Erfolg notwendig.

Nicht umsonst sind Scotch Whisky, American Whiskey oder auch der Irish Whiskey so erfolgreich in der Welt: sie haben seit Dekaden, teilweise sogar schon Jahrhunderten, klare Regeln für Herstellung und Herkunft und schützen damit die Kategorien und ihre Qualitäten. Dass dies der R(h)um nun auch macht, kann nur gut sein!

Ein anderer Vergleich sollte uns zu etwas mehr Geduld mahnen: auch Whisky, insbesondere der Scotch Whisky, hat viele Jahre, ja Jahrzehnte gebraucht, um es zu seiner heutigen Popularität zu schaffen. Vergessen wir nie, dass erst 1963 der Begriff des Pure Malts (vergleichbar mit dem späteren Single Malt) Verwendung fand und es seit den frühen 60er-Jahren bis weit in die 90er-Jahre gedauert hat, bis die Kategorie Wahrnehmung und breite Akzeptanz in unterschiedlichsten Käuferschichten gewann.

Damit einhergehend ist auch der Trend zum puren Genuss und nicht mehr der ausschliesslichen Verwendung «on the rocks» oder als Cocktailzutat. Auch hier sehen wir eine Parallele in der Welt des R(h)ums: noch heute sehen viele im R(h)um einzig die Cocktail-oder Longdrink-Zutat. Der Trend zum puren Genuss wird erst seit wenigen Jahren überhaupt verstärkt gefördert, propagiert und wahrgenommen!

«Der Trend zum puren Genuss wird erst seit wenigen Jahren überhaupt verstärkt gefördert, propagiert und wahrgenommen!»

Warum also lässt man dem Rhum nicht die nötige Ruhe und Zeit, um ein nachhaltiger Klassiker des Genusses zu werden? Einerseits liegt das an unserer schnelllebigen Welt: immer schneller, höher, weiter muss es gehen. Immer häufiger verlangt der Konsument nach neuen, trendigen, hippen Produkten.

Und das wird von der Industrie zusätzlich befeuert, denn Umsatzzahlen und der daraus resultierende Gewinn sind das wichtigste Indiz des Erfolgs einer Marke – zumal wenn sie im Besitz von Shareholdern ist! Ein Investor fragt nicht nach Genuss, er fragt nach Rendite! Und die muss schnell kommen!

Wer nimmt sich denn heute noch die Zeit für Genuss und setzt damit auf ein langsames, organisches Wachstum einer Marke? Jeder sollte sich diese Frage einmal stellen… und sich dann umschauen. Warum sind gerade Produkte mit einfacher und sehr schneller Herstellung so im Fokus (und damit im Trend)?

Doch genug der Tirade und dem Lamentieren, warum R(h)um immer noch nicht da ist, wo wir Geniesser ihn schon lange sehen (wollen). Schauen wir lieber auf das, was R(h)um ausmacht und wie alles begann.

Dieser Artikel erschien in
Ausgabe 1-2020

BAR NEWS-Magazin als Einzelausgabe

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