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Personalführung

Die Gastronomie beklagt sich nicht erst seit gestern über fehlendes Personal. Doch die Pandemie hat die Suche nach qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern noch zusätzlich erschwert. Erfolgreiche Personalführung muss jedoch weit über die Rekrutierung hinweggedacht werden.

Schon als ich begonnen habe, in der Gastronomie zu arbeiten, haben mir meine damaligen Vorgesetzten gesagt, dass man in unserer Branche nie ohne Arbeit sein werde. Und tatsächlich: schon vor 18 Jahren fehlte es in Hotels, Restaurants und Bars an Personal. Die Pandemie hat dieses Problem zweifelsohne verstärkt, aber keinesfalls verursacht.

Viele von uns haben verstanden, dass ein anderer Lebensrhythmus möglich ist. Als unsere Branche brach liegt, wechselten zahlreiche Kolleginnen und Kollegen – die vorher noch Teller serviert, Cocktails gemixt, Pfannen geputzt oder damit gekocht haben – den Job, um ihren Unterhalt zu finanzieren. Die Folge? Eine noch grössere Lücke im Personalplan und noch mehr Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden.

«Die Rekrutierung: ein Prozess, der komplexer ist, als bloss jemanden zu finden, der einen Arbeitsvertrag unterschreibt.»

Victor Topart, Barkeeper of the year 2021

Die Rekrutierung: ein Prozess, der komplexer ist, als bloss jemanden zu finden, der einen Arbeitsvertrag unterschreibt. Denn schlussendlich entscheidet man sich bei der Rekrutierung für einen Charakter mit einer Identität, mit einer Persönlichkeit und mit einem Entwicklungspotenzial.

Und diese Person wird sich mit all ihren Stärken und Schwächen in das bereits existierenden Team einfügen. Ein Team, das (im besten Fall) bereits einen Zusammenhalt und eine Arbeitsethik hat, die zum Erfolg eines Unternehmens beiträgt. Ein Fehler bei der Rekrutierung kann dazu führen, dass der Teamzusammenhalt schwächer wird und dass die Motivation sinkt. Daher sollte man bei diesem Prozess besonders darauf achtgeben, keine Fehler zu machen.

Wie eingangs erwähnt haben viele unsere Branche verlassen, darunter auch zahlreiche passionierte und qualifizierte Barkeeper. Diese hinterlassen ein Vakuum, welches sehr oft von Personen gefüllt wird, die sich zwar vielleicht von der Gastronomie angezogen fühlen, aber weder den gewünschten Enthusiasmus noch die notwendige Erfahrung mitbringen.

Nach der Einstellung ist daher oft mit einer erhöhten Einarbeitungszeit zu rechnen, damit schon nur die Basics unserer Arbeit vermittelt werden können. Doch dabei handelt es sich um einen notwendigen Initialaufwand, bei dem man nicht sparen sollte. Denn dieser Wissenstransfer trägt nicht nur zur Servicequalität und damit auch zur Zufriedenheit unserer Gäste bei, er kann gleichzeitig Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger von den Entwicklungsmöglichkeiten überzeugen, die unsere grossartige Branche bietet.

Die Wünsche des Personals ernst nehmen

Eine Veränderung muss nicht zuletzt bei der Personalführung geschehen. Das Wohlbefinden bei der Arbeit und besonders auch die Work-Life-Balance sind Aspekte, die von Angestellten immer stärker gewichtet werden. Es lässt sich nicht abstreiten, dass die langen Arbeitszeiten, der Stress und die Anforderungen an das Personal ihren Tribut fordern.

Die Zeit jener Chefs der alten Schule, die sich als Dirigent sehen, alles kontrollieren müssen und die «Empathie» im Fremdwörterbuch nachschlagen müssten, ist abgelaufen. Ein guter Manager glänzt durch Freundlichkeit, Respekt, Bescheidenheit und Vertrauen in sein Team. Wer sein Personal behalten will, muss mit gutem Beispiel vorangehen.

Eine gute Methode, die Equipe zu motivieren und gleichzeitig zu schulen, ist es, Degustationen zu organisieren sowie Brennereien oder Brauereien zu besuchen.

Victor Topart, Barkeeper of the year 2021

Eine gute Methode, die Equipe zu motivieren und gleichzeitig zu schulen, ist es, Degustationen zu organisieren sowie Brennereien oder Brauereien zu besuchen. Natürlich spielt der Faktor Lohn ebenfalls eine wichtige Rolle, dies hängt jedoch logischerweise sehr stark von den finanziellen Möglichkeiten eines Lokals ab.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die schwierigen Umstände der vergangenen Jahre, gekoppelt mit dem Bedürfnis nach Sinnhaftigkeit und Wohlbefinden während der Arbeit, dazu geführt haben, dass in einem Unternehmen der Mensch wieder (näher) ins Zentrum gerückt ist.

Ein Angestellter oder eine Angestellte ist keine Nummer, kein Verbrauchsgegenstand, denn ein Unternehmen ist in erster Linie ein menschliches Abenteuer. Die Personalführung ist daher nicht nur einer der komplexesten Aspekte eines Unternehmens, sondern auch einer der schönsten.

Dieser Artikel erschien in
Ausgabe 5-2022

BAR NEWS-Magazin als Einzelausgabe

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