ThekenTipp

Foraging – selbst gesammelte Zutaten

Auf der Suche nach immer exotischeren, ausgefalleneren Zutaten muss man nicht ans andere Ende der Welt reisen. «Foraging», respektive das Sammeln von wilden Früchten und Kräutern, bietet Bartendern fantastische Möglichkeiten – und birgt gleichzeitig einige Risiken.

Auf den ersten Blick klingt Foraging nach Vorteilen ohne Ende. Viele Pflanzen, die im Wald und auf der Wiese wachsen, sind nicht nur essbar, sondern auch sehr aromatisch. Zudem stehen sie quasi kostenlos am Wegrand und warten förmlich darauf, gepflückt zu werden. Beim genaueren Hinschauen muss man jedoch feststellen, dass in das Suchen, Sammeln und Verarbeiten sehr viel Zeit fliesst. Denn bis der Fichten- Fizz oder Sanddorn-Sour auf der Karte landet, kann auch mal ein ganzes Jahr vergehen. Im Unterschied zum Regal im Supermarkt ist das Angebot von wilden Zutaten saisonal und limitiert – und potenziell giftig.

«It’s a bad idea to poison your customers»

Wer den Film «Into the Wild» gesehen hat (und wer nicht: Spoiler Alert), weiss, dass Wildfrüchte und -kräuter toll sind, bis man sich selbst vergiftet. Ein Basisverständnis von Botanik und ein fundiertes Wissen über die spezifischen Pflanzen, die man sammeln möchte, und deren potenziell giftigen Doppelgänger, sind essenziell. In fast jeder Stadt bieten Expertinnen und Experten, die sich mit der Materie auskennen, Kurse an.

Diese sind ein guter Start, um die Materie zu vertiefen, ebenso wie Ratgeber in Buchform. Vorsichtig sollte man bei Apps sein, die Fotos von Pflanzen mithilfe künstlicher Intelligenz bestimmen. Sie können durchaus eine hilfreiche «Zweitmeinung» bieten, die Verantwortung und letztendlich die Haftung trägt jedoch jeder selbst. Oder wie es Camper English, der den informativen Blog cocktailsafe.org über potenziell schädliche Cocktailzutaten betreibt, einmal gesagt hat: «It’s a bad idea to poison your customers.»

«Die Toxizität hängt teilweise auch vom Zeitpunkt ab.»

Mit der Bestimmung der Pflanze ist es noch nicht getan. Man muss wissen, welche Teile der Pflanze geniessbar sind und welche giftig. So sind etwa bei der Eibe alle Pflanzenteile hochgiftig – ausser die roten Früchte (ohne Samen!). Die Toxizität hängt teilweise auch vom Zeitpunkt ab. So sind einige Früchte beispielsweise giftiger, wenn sie unreif als wenn sie vollreif sind. Umgekehrt ist es bei Rhabarber.

Dieser enthält Oxalsäure, insbesondere in den Blättern ist diese in einer hohen Konzentration vorhanden. Gleichzeitig gilt die Faustregel, dass man auch die Stängel nach dem Johannistag (dem 24. Juni) nicht mehr ernten soll, da sich mit der Zeit auch dort der Giftstoff anreichert.

Neben den Giftstoffen sollten sich Sammlerinnen und Sammler auch der rechtlichen Situation im jeweiligen Kanton bewusst sein. Mag das Sammeln für den Eigengebrauch an den meisten öffentlichen Plätzen «im ortsüblichen Umfang» (wie es etwa in der bernischen Naturschutzverordnung heisst) erlaubt sein, so braucht man für das «gewerbsmässige Sammeln» je nachdem eine Bewilligung. Wer geschützte Arten sammelt, macht sich strafbar.

Von erlaubten Pflanzen sollte man grundsätzlich stets nur so viel ernten, wie man effektiv benötigt. Zudem soll man nie alles abgrasen und den Vögeln und Insekten jeweils auch noch etwas übrig lassen. Am besten sammelt man an öffentlichen Orten oder bittet allenfalls beim Landbesitzer oder der Landbesitzerin um Erlaubnis.

Verarbeiten und Zubereiten

Sind die Kräuter, Wurzeln und Früchte erst gesammelt, gilt es, daraus eine haltbare und zugleich schmackhafte Cocktailzutat herzustellen. In flüssiger Form eignen sich Infusionen, Liköre oder Essenzen sowie Sirups und Cordials. Früchte bewahrt man am besten ganz oder püriert im Gefrierfach auf. Für Drink-Dekos eignen sich Blüten wie zum Beispiel von Klee, Nachtkerze, Wilden Stiefmütterchen, Margeriten, Gänseblümchen oder auch Apfelbäumen.

Sie können kandiert oder auch getrocknet und mit Zucker oder Salz am Glasrand angebracht werden. Die Blätter von Him-, Brom- oder Johannisbeere kann man zudem als Tee verwenden, wenn man sie vorher fermentiert. Dazu erntet man junge Blätter, lässt sie einige Stunden anwelken und gibt sie auf ein Abtrocknungstuch. Mit einem Wallholz presst man die Blätter und bricht so deren Zellen auf. Das Tuch rollt man nun zusammen und legt es für drei bis vier Tage luftdicht in einem Plastiksack verpackt an einen warmen Ort (25–30° C).

«Im Unterschied zum Regal im Supermarkt ist das Angebot von wilden Zutaten saisonal und limitiert – und potenziell giftig.»

Danach werden die fermentierten Blätter getrocknet und können wie Tee verwendet werden. Macht man sich die ganze Mühe, wäre es schade, wenn der Gast gar nicht wüsste, was er trinkt. Foraging sollte denn auch unbedingt auf der Barkarte thematisiert werden. Zudem eignet sich das Thema auch bestens für Social Media. Besteht der Fichten-Sirup aus selbst gesammelten Fichtentrieben aus dem Waldstück hinter dem Anwesen der Stadtpräsidentin?

Oder stammen die Blüten für den Holunder-Sekt vom Hausberg? Geschichten wie diese gehören zweifelsohne zu Cocktails, die aus selbst gesammelten Zutaten hergestellt wurden.

Produkt zum Warenkorb hinzugefügt.
0 Artikel - CHF 0.00