Entdeckung des Spiced Rum

Spice it up, little darlin’!

Aromatisierter Rum hätte das Potenzial «the next big thing since Flavoured Vodka» zu werden. Doch zuerst muss die Kategorie ihre Selbstfindungsphase überwinden, denn bei Spiced Rum handelt es sich um eine Spirituosen-Kategorie, die es rechtlich gesehen gar nicht gibt.
Aromen-Auswahl für die Spiced Rum

Wenn von Spiced Rum die Rede ist, sollte man sich bewusst sein, dass diese Kategorie, zumindest rechtlich gesehen, gar nicht existiert. Rum gehört nämlich wie Whisky oder Weinbrände zu jenen Spirituosen, die nicht aromatisiert werden dürfen – jedenfalls, wenn sie als solche vermarktet werden.

Rechtlich definiert ist ferner, dass Rum mindestens 37,5 Vol.-% Alkohol aufweist und ausschliesslich durch alkoholische Gärung und Destillation von Zuckerrohr-Melasse, -Sirup oder des Safts des Zuckerrohrs auf bis maximal 96 Vol.-% gebrannt wird.

Markante Steigerung

Der Anteil von Spiced Rum am Rum-Gesamtmarkt ist in der Schweiz im Jahr 2018 gegenüber dem Vorjahr um knapp 7 Prozent gestiegen. Im Jahr 2019 beträgt die Zunahme gar 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Anteil von Spiced Rum gegenüber dem gesamten Rum-Markt ist dennoch relativ klein.

Spiced Rum im Vergleich zum Rum-Gesamtmarkt. Quelle: © 2020 Grossopanel AG, 6370 Stans, grossopanel.ch

Erfüllt der «Spiced Rum» diese Kriterien, finden wir oft die Bezeichnung Rum, flavoured, spiced oder infused with… auf dem Flaschenetikett. Daher lautet auch bei diesen Produkten die Verkehrsbezeichnung «Spirit Drink».

Trotzdem reden wir in diesem Beitrag von Spiced Rum, denn jeder Barkeeper dürfte sich darunter etwa dasselbe vorstellen. Zugegeben, was wir unter Spiced Rum verstehen, ist nicht das Getränk jener Rum-Liebhaber, die sich am meisten an ungesüssten, ursprünglichen und direkt vom Fass abgefüllten Destillaten aus Zuckerrohrsaft oder Melasse erfreuen.

Stark geschminkt, um allfällige Unreinheiten zu verdecken – dies war der Ruf, welcher der Kategorie vorauseilte.

Grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass man diese Fun-Spirituose in den Händen von Jugendlichen sieht, an welche diese Produkte hauptsächlich vermarktet werden. Doch genauso wie ein Destillat manchmal einige Zeit gelagert werden muss, ehe es sein volles geschmackliches Potenzial erreicht hat, so verhält es sich oftmals auch bei Spirituosen-Kategorien.

Betrachtet man die Spiced Rums der vergangenen Jahre, die nun neu in den Flaschenregalen gut sortierter Bars stehen, deutet so einiges darauf hin, dass wir uns auch in den nächsten Dekaden noch intensiv mit dieser Kategorie beschäftigen werden.

Spiced Rum wird erwachsen

Stark geschminkt, um allfällige Unreinheiten zu verdecken – dies war der Ruf, welcher der Kategorie vorauseilte. Heute jedoch gibt es überzeugende Produkte, die mehr als nur auf ein ausgeklügeltes Marketing setzen. Wer sich vom Spiced Rum aus Prinzip abwendet, sich gleichzeitig jedoch zu den Gin-Liebhabern (insbesondere der lieblichfruchtigeren Variante) zählt, legt die enge Spannweite seines Horizonts offen auf den Tisch.

Denn Spiced Rum kann lokale Gewürze (und Früchte) mit regionaler Destillationskunst verbinden. Ein Rezept, welches in Bezug auf die mögliche Vielfalt des Angebots wie auch der potenziellen Einsatzmöglichkeiten dem Gin zum Durchbruch als Trend-Spirituose Nummer 1 verholfen hatte. Gleichzeitig können aromatisierte Rums auf eine lange Tradition zurückblicken.

Auf der Insel Hispaniola auf dem Gebiet der heutigen Dominikanischen Republik wird Rum schon seit Jahrhunderten mit Wurzeln, Holzrinden und weiteren Gewürzen als Getränk – aber auch als Heilmittel und gar Aphrodisiakum – verwendet. Hierzulande ist Mamajuana weitgehend unbekannt und findet meist nur im Handgepäck von Karibik-Touristen den Weg in hiesige Schnapsgläser.

Anbieter von Spiced Rum in der Schweiz

Spiced Rum Auszug Schweizer Markt

Auf Haïti, dem französischsprachigen Teil der Insel, kennt man den Kleren Trempè. Dabei wird Clairin (Kreolisch: Kleren), die aromatisierte haïtianische Rum-Variante mit Gewürzen wie Sternanis, Zimt, Bittermelone etc. «eingeweicht » (frz: tremper). Auch in anderen Regionen mit französischer Rhum-Tradition findet man aromatisierte Destillate, meistens unter der Bezeichnung Rhum arrangé.

Auf der französischen Insel La Réunion, die sich auf einer historischen Gewürzroute im Indischen Ozean befindet, kennt man etwa den Rhum Vanille. Nicht weiter verwunderlich, wird doch auf der Nachbarsinsel Madagaskar die grösste Menge der aromatischen Schote angebaut. Auch auf der Insel Mauritius werden heute aromatisierte Rums aus Melasse oder Zuckerrohrsaft hergestellt.

Früchte
Ob natürliche Zutaten verwendet werden, ist für den Konsumenten schwer erkennbar.

Auf Mauritius wird zwar schon seit Jahrhunderten Zuckerrohr angebaut, Rums der Insel werden jedoch erst seit einigen Jahren auf dem Weltmarkt wahrgenommen. Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang die Rum-Insel Jamaika.

Für die Diageo-Marke Captain Morgan wird hier der Rum für die wohl bekannteste Spiced Rum-Marke destilliert. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Nur ein Teil des Rums im Captain Morgan stammt tatsächlich aus Jamaika. Anders sieht es aus, wenn man auf Jamaika selbst eine Flasche Captain Morgan kauft. Denn ausgerechnet auf Jamaika besitzt Diageo die Vertriebsrechte für ihren Captain nicht. Der in Jamaika erhältliche Captain Morgan wird von Wray & Nephew hergestellt, die wiederum im Besitz der Campari Group ist.

Der Spiced Rum-Markt

Neben den Marktleadern Captain Morgan und Bacardi Oakheart (seit Kurzem als Bacardi Spiced im Handel) begann vor einigen Jahren «The Kraken» die Weltmeere, bzw. den Weltmarkt der aromatisierten Rums, unsicher zu machen.

Sehr genau mit der Herkunftsbezeichnung nimmt es Black Tears, bei welchem es sich um den ersten Spiced Rum aus Kuba handeln soll. Während die meisten dieser Spiced Rums die Rezeptur ihrer «Spices» geheim halten, finden sich auf den Flaschenetiketten Angaben wie Vanille, Nelken, Zimt, Muskatnuss, Zitruszesten, Kokosnuss, Ananas, Mango, Kardamom, Kaffee oder Kakao.

Ob es sich dabei um natürliche Zutaten oder bloss um künstliche Aromen bzw. gar nur um Tasting Notes handelt, ist für den Konsumenten oft nicht oder nur schwer erkennbar.

Ein gutes Beispiel, dass sich gutes Storytelling nicht bloss der Fiktion bedienen muss, beweist der Plantation Pineapple. Bei der Entwicklung arbeitete Alexandre Gabriel vom Maison Ferrand mit dem Cocktail-Historiker David Wondrich zusammen, wobei sich die beiden auf ein Rezept aus dem Jahre 1824 berufen. Ein weiteres Beispiel für einen Premium Spiced Rum ist Ableforth’s Rumbullion, der neben der regulären auch in einer Navy Strength sowie in einer 15-jährigen Abfüllung erhältlich ist.

Es gibt kaum ein rumproduzierendes Land, wo keine aromatisierten Rums (oder Rum-Liköre) hergestellt werden. Von der Karibik bis zu den Kanarischen Inseln mit ihrem Ronmiel, von Tahiti über Australien zu den Inseln im Indischen Ozean – Spiced Rum rund um den Globus warten darauf, entdeckt zu werden.

Dieser Artikel erschien in
Ausgabe 3-2020

BAR NEWS-Magazin als Einzelausgabe

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