Mehr als Weisswein und Erdnüsse

Der perfekte Apéro

Der Apéro ist viel mehr als bloss die Summe seiner Teile. Es ist der Moment der Entspannung nach der Arbeit, der Start in einen gelungenen Abend, die Gelegenheit, die Menschen um sich herum näher kennenzulernen.
Ein Drink, etwas zum Knabbern und gute Gesellschaft – dies das Rezept für den perfekten Apéro.

Hier unsere Speisekarte. Hättet ihr gerne vorab einen Apéro? – fragt uns das Service-Personal. Dass sie damit nicht den Apéro Riche meint, den man im Stehen zu sich nimmt und aus Fingerfood, Weisswein und Orangensaft besteht, ist klar durch das Setting: wir sitzen in einem Restaurant.

Der Haus-Apéro im Restaurant, oft eine simple Spritz- oder Kir-Abweichung aus einem Fruchtsaft, -püree, -likör oder -sirup, aufgefüllt mit Prosecco, dekoriert mit einer Scheibe Orange. Der Apéro im Restaurant, der sich auf ein Getränk beschränkt und mit welchem wir beim Auf-das-Essen-warten anstossen, ist die wohl einfachste Variante des Apéros.

Lädt man hingegen seine Freunde zum Apéro ein, erwarten diese neben Flüssigem auch etwas zum Essen. Nicht einen Viergänger, sondern mindestens Erdnüsse und Chips. Gerne darf auch Trockenfleisch, Aufschnitt oder etwas Käse mit Brot serviert werden – das klassische Apéro-Plättli, wie man es vielerorts sieht.

Oft sind die regionalen Fleisch- und Käsesorten darauf zu finden. Tête de Moine aus dem Jura, Hobelkäse aus dem Berner Oberland, Formaggini aus dem Tessin oder würziger Bergkäse aus den Alpen – Bündnerfleisch, Wurstspezialitäten oder Burehamme für die Karnivoren. Die etwas kleinere Version des Apéro-Plättli besteht aus einigen Würfeln Hartkäse wie Sbrinz, Grana Padano oder Parmesan, marinierte Oliven sowie getrockneten Tomaten.

Sehr beliebt sind auch Dips wie Guacamole oder Hummus, die man mit Mais-Chips bzw. Brot oder Gemüse-Sticks isst. Hat eine Bar eine kleine Küche oder gehört diese zu einem Hotel, können dort oft auch Speisen zu sich genommen werden – vom einfachen Barfood bis zum Mehrgänger.

Zeit für den Apéro

Der Apéro unterschiedet sich vom einfachen Feierabendbier. Davon ist Michael Kampmann, Barchef der «Cinchona Bar» des 25hours Hotels an der Zürcher Langstrasse, überzeugt: «Die Leute kommen zusammen und nehmen sich die Zeit dafür. Wenn man hingegen vom Feierabendbier spricht, dann geht man gezielt wo hin, trinkt in einer Viertelstunde sein Ding und geht dann auch wieder.»

Je näher das Wochenende rückt, desto besser laufe das Apéro-Geschäft. Gerade am Montag läuft häufig noch weniger – wohl auch ein Grund, weshalb an diesem Wochentag viele Bars geschlossen bleiben.

Davon profitieren wiederum jene Bars wie die Bar im «Grand Hotel Les Trois Rois» in Basel: «Wir sind in der glücklichen Lage, dass unsere Bar immer gut besucht ist – natürlich auch am Wochenende. Aber auch an einem Montag kann sehr viel los sein – vielleicht weil viele andere Bars geschlossen sind», sagt Thomas Huhn, Barchef des Basler Luxushotels.

Wir sind in der glücklichen Lage, dass unsere Bar immer gut besucht ist – natürlich auch am Wochenende. Aber auch an einem Montag kann sehr viel los sein

Thomas Huhn, Barchef Grand Hotel Les Trois Rois, Basel

Rückt das Wochenende heran, so vermischt sich die Gästestruktur aus Feierabendgästen vermehrt mit Studenten, Eltern mit Kinderwagen und Partygängern. Gerade am Samstag beginnt der Apéro vielerorts schon einige Stunden früher – dafür sieht man weniger Menschen im Anzug, die direkt von der Arbeit kommen. Eine passende Stimmung ist sehr wichtig für einen gelungenen Apéro. Die Musik darf gerne etwas ruhiger und entspannter, das Licht etwas heller sein, damit die Gäste gut miteinander reden können.

Wer den ganzen Tag im Büro vor dem Computer gesessen hat, geniesst zudem einige Momente draussen (sobald es das Wetter zulässt). Je heisser es dann ist, desto mehr zieht es die Menschen nach der Arbeit an die Sonne und wenn möglich an einen kühlenden See oder Fluss. Etwa in Solothurn, wo das Zentrum der Altstadt entlang der Aare verläuft, herrscht während den sonnigen Apéro-Stunden stets reges Treiben.

«Es gehört zur Solothurner Kultur, dass man sich nach der Arbeit zum Feierabendbier oder zum Apéro trifft», sagt etwa Sabrina Knittel vom «Solheure». Die Bar, in welcher man neben dem klassischen Apéro-Plättli auch diverse Speisen zu sich nehmen kann, ist stark auf das Apéro-Geschäft ausgerichtet. Das Lokal profitiert bei schönem Wetter von einem grossen Aussenbereich. Viele Locals kann man zudem beobachten, wie sie sich mit einer Runde Bier unkompliziert auf die Aaremauer setzen.

«Wenn es draussen sonnig warm ist, wollen die Leute draussen trinken», sagt auch Romain Tritsch von der Cocktailbar «Le Comptoir» in Lausanne. Da die Bar keine Aussenbestuhlung hat, läuft sie besser, wenn es nicht zu heiss ist. Dennoch ist auch im Le Comptoir das Apéro-Geschäft nicht zu unterschätzen – auch wenn es laut Aussagen von Romain Tritsch bloss ca. 20 % des Umsatzes ausmacht.

In seiner Bar achtet der Barkeeper darauf, dass während dieser Zeit das Licht etwas heller und die Musik etwas leiser bzw. ruhiger ist, so dass die Leute sich gut unterhalten können. In der Romandie ist die Apéro-Kultur stärker von Frankreich beeinflusst als in der Deutschschweiz. Hier wird mehr Weisswein getrunken «et on partage », das heisst, man teilt nicht nur einen gemeinsamen Moment, sondern meist auch eine Flasche Weisswein…

Doch kein Feierabend? Der Apéro als Networking-Event

Eine Sonderform ist der Networking-Apéro. Hier erfüllen die zwei, drei Gläser primär den Zweck des sozialen Schmiermittels. Visitenkarten wollen ausgetauscht, auf abgeschlossene Geschäfte soll angestossen werden. Solche Apéros finden meist zu Beginn oder am Ende einer Veranstaltung statt.

Doch egal, ob es sich dabei um eine Vernissage, ein Seminar, einen Kongress oder gar um eine Hochzeit handelt – eines haben Apéros gemeinsam, die in diese Kategorie fallen: die Gäste stehen. Dies hat den Vorteil, dass ein Gast a) im Nu Gesprächspartner wechseln und sich b) an den warmen und kalten Häppchen bedienen kann, die auf den Stehtischen oder der Theke bereitstehen.

Prost! Rituale gehören auch beim Apéro dazu.

Herr und Frau Schweizer prosten sich gerne zu. Und es gehört gar zum guten Ton, dass man sich danach jeweils einen Schluck zu Gemüte führt, ehe man das Glas abstellt. Gerade deshalb eignen sich bei solchen Apéros leichtere Getränke mit weniger Alkohol – etwa Weissund Schaumwein oder Spritz-Variationen – besonders gut.

Diese Getränke haben zudem den weiteren Vorteil, dass sie oft in Gläsern mit Stiel serviert werden. Diese Gläser sehen nicht nur nett aus, sie lassen sich auch während längerer Zeit in der Hand halten, ohne dass der Inhalt aufgewärmt wird. Freuen wir uns auf ruhigere Zeiten und wärmere Abende, um mit unseren Liebsten die schönste Zeit des Tages zu geniessen. Stossen wir an auf uns und gleichzeitig auf ein Stück Kulturgut: den Apéro.

Dieser Artikel erschien in
Ausgabe 2-2020

BAR NEWS-Magazin als Einzelausgabe

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