5 Bars der Cocktail-Metropole

Bartour Barcelona

Laut «Cocktailman» Danil Nevsky ist jede grössere europäische Stadt mit fünfzehn oder mehr Bars, die Cocktails ernst nehmen, eine Cocktail-Metropole. Doch weshalb zieht es so viele einflussreiche Barkeeper wie ihn ausgerechnet nach Barcelona?

Eine Spurensuche zwischen Tibidabo und Strand, Sagrada Família und la Rambla, Sangria und Tinto de Verano. «Als kleine Stadt kann sich die Cockailbar-Szene durchaus sehen lassen.» Diesen Satz höre ich nicht etwa in der Schweizer Provinz, sondern in der katalanischen Hauptstadt. Es gehört zum Verständnis der hiesigen Barkeeper, dass sie sich mit New York und London vergleichen, auf deren Augenhöhe man sich wähnt. Zu Recht, denn im Jahr 2022 hatte die Stadt gleich drei Bars in den Top Ten der 50 besten Bars der Welt.

Die Stadt wirkt wie ein Magnet auf die europäische Bar-Community. Italienisch, englisch und deutsch wird hinter den Theken der Bars ebenso selbstverständlich gesprochen, wie spanisch oder katalanisch. Stadt und Meer, Kulinarik und Kultur ziehen Expats und Touristen gleichermassen an. Barcelona ist dicht gebaut, von der einen Top-Adresse zur nächsten kann man problemlos zu Fuss gehen.

Das liegt auch daran, dass die Szene derzeit sehr stark wächst. «Es gibt viele Eröffnungen, aber wenige Bars schliessen», sagt Marc Alvarez vom Sips, derzeit auf Platz 1 der World’s 50 Best Bars. Wie Alvarez hebt auch der Inhaber des Paradiso (Platz 1 im Jahr 2022) den Zusammenhalt der lokalen Community hervor. «Wir helfen einander, nehmen an Aktivitäten und Events der anderen Bars teil und teilen Wissen und Ideen», sagt Giacomo Giannotti.

Sips

Wer die «Beste Bar der Welt» betritt, tut dies mit hohen Erwartungen. Um diese zu erfüllen, versucht Marc Alvarez den Faktor «Glück» so tief wie möglich zu halten. Das ganze Gästeerlebnis ist relevant, angefangen bei der Wartezeit. «Eine solche Auszeichnung wirkt sich massiv auf den Workflow aus», sagt Alvarez, der die Bar mit Simone Caporale gegründet hat.

Draussen sind zwei Reihen vorbereitet. Eine für Gäste mit Reservation, eine für solche ohne. «Anfangs hatten wir nur Walk-ins. Aber es ist nicht fair und wirkt sich nicht gut auf das Gästeerlebnis aus, wenn die Leute über eine Stunde warten müssen», sagt Alvarez.

Sips ist unterteilt in zwei Lokale. «Drinkery House» ist ein easy, funky und entspannender Ort, der «high-couture» Cocktails anbietet. Seriöse Drinks zu fairen Preisen (12 bis 15 Euro), bei denen der Spass nicht zu kurz kommt. Im «Esencia», im hinteren Teil des Lokals, gibt es ein «Liquid Tasting Menue », das alle drei Monate ausgewechselt wird. «Diese Sips sind eine Reflexion über Flüssigkeiten. Kleine Portionen voller Kreativität», sagt Alvarez.

Paradiso

Das Bedürfnis nach Eskapismus mag für die Heerscharen an Barcelona-Touristen nicht besonders gross sein. Dennoch lohnt es sich, im Paradiso in eine andere Welt einzutauchen. Doch das Paradies findet man mit der aktuellen Barkarte möglicherweise nicht in der Gegenwart.

«Das aktuelle Menu Evolution steht für das Wachstum und den Fortschritt der Menschheit als Ganzes», sagt Inhaber Giacomo Giannotti. Die Zeitreise startet mit der Entdeckung von Feuer, 12 000 Jahre vor der Zeitenwende und endet in der Zukunft.

Weitere Cocktails sind inspiriert von der Landwirtschaft, der Erfindung des Rads, der industriellen Revolution und der Raumfahrt. Bescheidenheit ist im Paradiso ein Fremdwort. Die Drinks leuchten, rauchen und fluoreszieren. Sie werden durch Pflanzen geseiht, vor dem Gast destilliert und mit Dynamit (vermeintlich) in die Luft gejagt.

Serviert werden sie als Ufo, in einer Eisenbahn oder einer Auster. Seit einem Jahr bietet die Bar eine Online-Warteliste. «So kann man statt vor der Tür zu warten das Quartier erkunden », sagt Giannotti.

Foco

Blättert man kurz durch die Barkarte des Foco, wähnt man sich in einer simplen Cocktail-Bar, die sich den Klassikern verschrieben hat. Die zwölf Drinks haben Namen wie Moscow Mule, Amaretto Sour, Old Fashioned und Espresso Martini. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass sich das Team rund um die Briten Tom Godfrey und Theo Thomas bei der Interpretation sehr, sehr viele Freiheiten nehmen.

Das Duo hat bereits zusammen in Bristol im Red Light gearbeitet. In Barcelona waren sie zeitweise gleichzeitig im Carlos & Matilda. Bevor die beiden im Dezember 2022 das Foco (kurz für Foreign Correspondents) eröffneten, wirkte Tom im Two Schmucks und Theo im Paradiso. Das Foco steht für Maximalismus im Glas, aber Minimalismus in der Präsentation.

«Wir wollen uns auf die Flüssigkeit im Glas fokussieren», sagt Tom. Wilde Drink-Dekos findet man hier ebenso wenig, wie eine Backbar. Einige der Bestseller haben es bereits in die eigene RTD-Linie geschafft, deren Branding sich nach Soft Drink Marken richtet: Amaretto Sour (Dr. Pepper), Clarified Cuba Libre (Coca Cola), Screwdriver (Fanta) und demnächst Fish House Punch (Nestea).

Two Schmucks

Bis auf Rang 7 konnte Two Schmucks auf der Liste der 50 Besten Bars klettern. Das war im 2022. Im gleichen Jahr verliess der Mitgründer Moe Aljaff die Bar – und mit ihm die Mehrheit der Barkeeper. Wie ist die Bar heute aufgestellt? Ich treffe Bar Manager George Komninakis, der seit der Eröffnung von Fat Schmuck (heute heisst das Lokal Chula Vista) im Jahr 2021 für die verschiedenen Schmuck-Lokale arbeitet.

Das Wort Schmuck kommt aus dem Jiddischen und kann als Trottel übersetzt werden. Die Bar hat etwas von Punk, etwas von Dada. Die Attitude ist immer noch gleich, das Getränkekonzept ist nun jedoch etwas simpler. «Unsere Drinks bewegen sich meist zwischen der Welt der Küche und der Welt der Cocktails», sagt Komninakis.

Ein Beispiel ist sein Tzatziki Martini, den er zusammen mit Antonis Tzanopoulos kreiert hat – der griechische Einfluss in der Bar ist nicht nur eine Illusion. Wie viele andere Drinks im Two Schmucks ist auch dieser pre-batched. Zwei Drinks sind jeweils on Tap, wie auch zwei alkoholfreie Sodas. «Im Moment haben wir ein White Chocolate Soda und ein Ginger Beer», sagt Komninakis.

Dry Martini

Im Dry Martini ist der Name Programm. Mit meiner Bestellung erhöhe ich den Martini- Zähler, der vor 45 Jahren eingeführt wurde, auf 1 135 083. Ich setze mich an die edle hölzerne Theke. Die Arme auf die Reling gestützt, inspiziere ich die Backbar mit Gins und Dry Vermouth, die seit Jahrzehnten nur zum Abstauben in die Hand genommen werden. Nur zu Deko-Zwecken sind auch – so hoffe ich zumindest – die Campbell-Suppendosen.

Die Barkeeper servieren, in weissem Jackett, hauptsächlich klassische Drinks. Von diversen Eigenkreationen könnte man ebenfalls auswählen und auch die beiden Herren zu meiner Rechten kriegen ihren Espresso Martini – die nicht im Zähler erfasst werden.

Mein Sitznachbar zu meiner Linken ist ein ganzer Laib Parmesan, aus dem der Barkeeper Mocken für Mocken herausbricht. Anders als üblich ist hier das Restaurant, nicht die Bar, ein Speakeasy. Die Bar, ein Bijou, das während Jahren in den World’s 50 Best Bars vertreten war.

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